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Melodic HardcorePost-Hardcore

Kritik: Touché Amoré - "Spiral In A Straigh Line"

Man mag es kaum aussprechen, aber es ist wahr: Der Herbst ist da! Was könnte in dieser Zeit nur besser ...

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Man mag es kaum aussprechen, aber es ist wahr: Der Herbst ist da! Was könnte in dieser Zeit nur besser passen, als Melancholie, Emotionen gepaart mit der richtigen Prise Härte? Touché Amoré haben da etwas. Mit „Spiral In A Straight Line“ veröffentlicht die Band und Frontmann Jeremy Bolm ihr neues und nunmehr sechstes Studioalbum. Wie das elf Song starke Werk klingt und ob es an die Erfolge und die Durchschlagkraft vergangener Releases anknüpfen kann, das haben wir ausführlich in unserer Rezension für euch gecheckt.

Schon vor Release der Platte konnten sich Fans von Touché Amoré über zwei vorab veröffentlichte Singles freuen. Passend dazu beginnt „Spiral In A Straight Line“ mit einem dieser Songs. „Nobody’s“ bietet einen treibenden, gradlinigen Einstieg im gewohnten TA-Style. Darüber hinaus ist der Track relativ kurz, was für die Band keine Seltenheit darstellt und auch in der Vergangenheit häufiger zu beobachten war. Insgesamt sind zwei Dinge auffallend. Zum Einen der klare Fokus auf Bolms Vocals, die vielmehr von den restlichen Instrumenten umspielt und in Szene gesetzt werden, zum anderen der verspielte und auffallend ausgewogene Mix. Im ausreichenden Maße wird jedes Instrument auf seine Weise in Szene gesetzt. Allerdings hinkt die Album-Einführung ein Stück weit, da Bolms Vocals, im Rahmen des Möglichen, recht glatt klingen. Ein recht ungewohntes Gefühl, ist die Band doch für ihre emotionalen und undistanzierten Gesänge bekannt. Glücklicherweise zeiht sich dieser Eindruck nicht durch das gesamte Album.

Was durchweg auf „Spiral In A Straight Line“ auffällt, ist die ausgewogene Balance zwischen rohen, harten Sounds, wie sie auf frühen Veröffentlichungen, wie „Is Survived By“ zu hören waren und eben einer entsprechenden Glätte und Politur, wie sie moderne Mixes inne haben. Diese Mischung konnte man bereits im vergangenen Album „Lament“ feststellen, die aktuelle Touché Amoré-Platte wirkt allerdings noch eine Spur ausdifferenzierter.

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Vielseitigkeit innerhalb des eigenen Repertoirs

Es ist wahr, auch auf „Spiral In A Straight Libe“ vereinnahmen Touché Amoré den Stil, für den sie bekannt sind. Dabei bricht die Gruppe zu Teilen immer wieder mit dem gewohnten Sound und flüchtet sich in genrefremde Bereiche, nur um im Anschluss wieder zum gewohnten Sound zurückzukommen. Zu Hause ist es eben doch am schönsten! So zu hören im Song „Altitude“, der durch seinen zitternden Gitarrensound und den treibenden Beat einen starken Westerneinschlag mit sich bringt.

Auch die hymnenartigen Refrains, wie beispielsweise im bereits ausgekoppelten „Hal Ashby“ zu hören, erweitern die Soundvielfalt der Band enorm und untermalen das herausragende Storytelling, für das Touché Amoré bekannt sind. Dabei bleibt der Song über den Regisseur und Mitbegründer des New Hollywood-Genres nachhaltig im Kopf.

Das Schöne in der Unruhe finden

Was gibt es schöneres als das Unkonventionelle, das Aneckende? Touché Amoré machen sich dies zunutze und spielen an unterschiedlichen Stellen mit Elementen, die die Hörer:in kurz aufzucken lassen. „Mezzanine“ wirkt anfangs etwas holprig. Hinzu kommen beinahe dissonante Parts, die dem Song seinen eigenen Charakter verleihen. Der daran anknüpfende C-Teil hingegen strotzt nur so vor Energie und weist eine Menge Mitsingpotenzial auf, welches das ausgleichende Element in einem insgesamt sehr vielseitigen Song darstellt.

Auch „Finalist“ startet holpernd und unrund, gibt man dem Song allerdings seine notwendige Zeit, so entwickelt sich das Stück durch den Einsatz des Gesangs in ein geordnetes Konstrukt. Darüber hinaus sollen auch Zeilen, wie „the grass will always be greener, when i’m sitting on the fence“ hervorgerufen werden. Stimmig von Ton bis Text!

Touché Amoré liefern den Soundtrack zum Herbst

Eines ist definitiv sicher. „Spiral In A Straight Line“ strotzt nur so vor musikalischem und inhaltlichem Drama, sowie vor Intensität. So sticht „Force Of Habit“ besonders durch seinen Mix hervor. Die unterschiedlich laut abgemischten Instrumente verteilen sich über die Boxenseiten und schaffen dadurch einen musikalischen Raum, welcher durch Bolms Vocals und den Hall, der auf seiner Stimme liegt seine Perfektion findet.

Auch die beiden Feature-Gäste stützen den melancholischen Grundton, bei dem man geradezu die Blätte vor dem inneren Auge von den Bäumen fallen sehen kann. „Subversion (Brand New Love)“ wird primär von Lou Barlow gesungen, welcher den meisten als Solo-Künstler und Mitglied der Band Dinosaur Jr. bekannt sein könnte. Die Ruhe, die er ausstrahlt, wird nur im Background durch Bolms Stimme ergänzt. Diese Kombination der beiden Stimmen findet im letzten Drittel des Stücks die Kernschmelze, wodurch ein ausgewogener, aufregender und geradezu extatischer Soundmix entsteht.

Das Feature auf „Goodbye For Now“ wird von Julien Baker komplettiert. Die Musikerin hatte bereits im Song „Skyscraper“ auf dem Album Stage Four mitgewirkt. Der starke Bruch eines anfangs eher ruhigen Songs, inklusive eingängigem Blastbeat wirkt ebenso überraschend, wie das Aufeinandertreffen der rauen Stimme Bolms auf die ruhige und nahezu verträumte Stimme Bakers. Das Ergebnis wirkt gleichermaßen ungeordnet und geplant. Hinzu kommt, dass wahrscheinlich selten passendere Lyrics für das Ende eines Albums gefunden wurden als: „we say goodbye for now and i’ll try to come around“.

Foto: Sean Stout / Offizielles Pressebild

ALBUM
Spiral In A Straight Line
Künstler: Touché Amoré

Erscheinungsdatum: 11.10.2024
Genre:
Label: Rise Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Nobody’s
  2. Disasters
  3. Hal Ashby
  4. Force Of Habit
  5. Mezzanine
  6. Altitude
  7. This Routine
  8. Finalist
  9. Subversion (Brand New Love) feat. Lou Barlow
  10. The Glue
  11. Goodbye For Now feat. Julien Baker
Touché Amoré Spiral In A Straight Line
Touché Amoré Spiral In A Straight Line
8.5
FAZIT
Mit "Spiral In A Straight Line" melden sich Touché Amoré zurück! Das Album bietet einen gelungenen Mix aus der gewohnten Rohheit vergangener Tage und modernen Mixes, die musikalisch bestens umgesetzt wurden. Das entstandene Potpourri unterschiedlichster Stilmittel bietet eine herausragende Varianz, ohne überladen zu wirken. Zusätzlich macht das Album keinesfalls Versuche, die eigenst gesetzten Genregrenzen für längere Zeit zu verlassen. Touché Amoré entwickeln sich mit diesem Album stringent weiter und bleiben gleichzeitig bei dem, was man von ihnen erwartet. Diese Scheibe ist daher sowohl für Fans der ersten Stunde geeignet, als auch für Liebhaber:innen aktuellerer TA-Töne.