Review
Post-MetalProgressive
Kritik: The Ocean - "Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic"
Mit „Phanerozoic I: Palaeozoic“ haben The Ocean ein weiteres Meisterwerk geschaffen, das nur die erste Hälfte eines größeren Opus ist. ...
VON
Rodney Fuchs
AM 30/09/2020
Artikel teilen:
Mit „Phanerozoic I: Palaeozoic“ haben The Ocean ein weiteres Meisterwerk geschaffen, das nur die erste Hälfte eines größeren Opus ist. An die Genialität von „Pelagial“ konnte man jedoch nicht vollständig anknüpfen. So stehen The Ocean seither gewissermaßen im Schatten dieses monumentalen Werks, wenn auch „Phanerozoic“ in seiner Gänze ein noch viel größeres und vielschichtigeres Werk ist. Mit „Phanerozoic II: Mesozoic – Cenozoic“ vollendet das Kollektiv diesen Zweiteiler.
The Ocean legen einen fulminanten Start hin
„Phanerozoic II: Mesozoic“ knüpft dort an, wo The Ocean ihre Fans zurückgelassen haben und versteht sich als zweite Hälfte eines Doppelalbums, das auch zur gleichen Zeit aufgenommen wurde, sich aber zwei Jahre Zeit ließ, um jeder Hälfte gerecht werden zu können.
„Triassic“ beginnt mit einem Gefühl der Kälte, das sich über die Gitarrenakkorde langsam aufbaut, während das Sounddesign für eine bedrückende und einsame Atmosphäre sorgt. Stück für Stück baut sich das Instrumental des Album-Openers mit vorderasiatisch anmutenden Skalen und einem Basssolo auf, bis letztlich die Vocals beginnen und das atmosphärische Werk erstmals in hartem Metalriffing ausbricht. The Ocean bauen auf Ambiente und auf Groove, der sich in rhythmischer Raffinesse widerspiegelt. Und bereits jetzt ist klar, dass „Triassic“ ganz klar nach The Ocean klingt.
Erneut konnten The Ocean den Katatonia-Sänger Jonas Renkse für ein Vocal-Feature gewinnen. Auf dem 13-Minuten-Brecher „Jurrasic – Cretaceous“ sorgt seine Stimme im Zusammenspiel mit etlichen Synthesizern erneut für einen Sound, der stark an Katatonia erinnert. Man hätte also kaum einen besseren Sänger für diesen Song wählen können.
Auch die Dramaturgie des Songs und die kontrastreiche Dynamik zwischen harten Metalriffs und sanften Post-Rock Sphären lassen diesen Track zu einer unfassbar spannenden Hörerfahrung werden. Abgerundet wird „Jurrasic – Cretaceous“ durch ein dezentes Post Black Metal-Riffing und rhythmische Prog Metal-Elemente, welche die Härte dieses Tracks betonen.
Wabernde Synthesizer dominieren den Sound dieses Albums
Der Vierminüter „Palaeocene“ wirkt im direkten Vergleich wie ein typischer The Ocean-Track, der nicht sonderlich auffällt, aber auf einen harten Sound baut. Spannender wird es beim darauffolgenden „Oligocene“, auf dem The Ocean all ihre Härte herausnehmen und einen großen Schritt in Richtung Post-Rock gehen. Komplett instrumental baut „Oligocene“ auf jede Menge wabernder Synthesizer und cleane Gitarren, die eine Atmosphäre kreieren, die an „Pelagial“ erinnert. Es klingt tatsächlich nach dem Ozean, in den die Musiker mit diesem Song hinabsinken. Wirklich viel passiert in diesem Track aber nicht und auch die aufgebaute Stimmung fließt nicht zwingend zu „Eocene“ über.
„Eocene“ hingegen vermittelt einen Karnivool-Einfluss, der sich in krummen Takten und einem Prog Rock-Feeling widerspiegelt. Dennoch bleibt auch „Eocene“ relativ unspektakulär und lässt die Spannung etwas missen. Einzig Sänger Loic überzeugt mit seinen Phrasierungen und verpasst der Band letztlich einen roten Faden, der zusammenhält, was auseinanderzubrechen droht.
Das folgende „Holocene“ hingegen lässt die etwas dröge Mitte des Albums leider auch nicht vergessen werden. Zwar beginnt es ebenfalls mit bedrohlich klingenden Synthesizern, die irgendwie darauf hoffen lassen, dass gleich ein wahres Riffing-Feuerwerk abgeballert wird – in Wahrheit verliert sich der Track allerdings in atmosphärischen, orientalischen Post-Rock-Sphären, in denen wieder der Gesang als markantes Instrument heraussticht.
Dazu gesellt sich das Spiel eines Cellos, das zusammen mit einem lyrischen und rhythmischen Zitat, das wir aus „Triassic“ kennen, in diesen Track einschlängelt wie eine Klapperschlange auf der Pirsch. So klappernd sind nämlich die Synthesizer, die Percussions und alles andere, was auf „Holocene“ zum Ambiente beiträgt. Dadurch wirkt dieser Track wesentlich organischer, als die vorigen Songs, baut aber eine Spannung auf, die vorerst nicht aufgelöst wird.
Der Ozean verwässert
Mit einem Alarmsignal, auf dem das Riffing von „Pleistocene“ aufbaut, beginnt dieser Track auch eher träge und baut auf ein ruhigeres Pacing auf. Auch hier schleicht sich das Cello dezent unter dem Gesang ein und The Ocean brechen endlich wieder in ihrem harten Metalsound aus. Nicht, dass es diesen zwingend bräuchte, aber die Kontraste sind es, die die Musik von The Ocean bisher immer so unfassbar spannend gemacht haben.
Glücklicherweise sticht „Pleistocene“ gegen Ende mit Riffs heraus, die definitiv an „Pelagial“ erinnern und mit jeder Menge Power und Brachialität überzeugen können. So sind es Blast Beats und Screams, die „Pleistocene“ zu einer willkommenen Abwechslung werden lassen und The Ocean erneut von der bösen Fratze des Vorgängeralbums zeigen. Auch, weil das Ende dieses Tracks das vertrackte und durchdachte Riffing besser offenbart als die meisten anderen Stücke dieses Albums.
Mit „Miocene – Pliocene“ bewegen sich The Ocean zurück zu den Sphären von „Jurassic – Creteceous“ und bauen erneut auf Melancholie und Elegie, die primär von den Vocals getragen wird und „Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic“ in epischer Manier beenden. In Anbetracht des warmen Spätsommers kommt „Phanerozoic II“ fast einen Tick zu früh. Der tiefe Herbst wäre der passende Zeitpunkt für die melancholischen Klänge dieses Albums gewesen. Doch vielleicht wird dieses Album seine volle Wirkung auch erst im Oktober wirklich entwickeln.
Beitragsfoto im Auftrag von MoreCore: Quinten Quist
Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic
Künstler: The Ocean
Erscheinungsdatum: 25.09.2020
Genre: Progressive
Label: Metal Blade Records
Medium: CD, Vinyl
- Triassic
- Jurassic | Cretaceous
- Palaeocene
- Eocene
- Oligocene
- Miocene | Pliocene
- Pleistocene
- Holocene
More Reviews