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ProgressiveRock
Kritik: Opeth - "In Cauda Venenum"
Dass Opeth von ihren Death Metal-Wurzeln weit entfernt sind, ist spätestens seit „Heritage“ klar. Oft hieß es, dass sich Opeth ...
VON
Rodney Fuchs
AM 07/11/2019
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Dass Opeth von ihren Death Metal-Wurzeln weit entfernt sind, ist spätestens seit „Heritage“ klar. Oft hieß es, dass sich Opeth mit „Heritage“ auf eine Welle des Retro-Progs verirrt haben und mit 70er Jahre Sounds experimentierten, ohne wirklich innovativ zu sein. Die Erwartungen an „In Cauda Venenum“ jedoch stiegen hoch. Ein Grund dafür war auch der Release der ersten Single, die mit einem unerwartet technischen Sound Aufmerksamkeit erhaschte.
Der „Garden Of Earthly Delights” eröffnet den dreizehnten Opus der Schweden auf interessante und ungewohnte Art. Mit choralen Gesängen baut sich über die drei Minuten des Openers eine fast schon sakral-anmutende Stimmung auf. Mit wabernden Synthesizern erzeugen Opeth Spannung und drängen diese immer mehr in den Vordergrund. Der Hintergrund füllt sich mit Field Recordings und Stimmen, die „Garden Of Earthly Delights“ wie den Soundtrack eines Films wirken lassen, der mit nur wenig Melodieführung eher einen atmosphärischen Charakter hat. Ein Kirchturm und Schritte sind zu hören, bevor die Reise mit „Dignity“ richtig beginnt und eine Kinderstimme zu hören ist.
Als einer der ersten beiden Singles ist „Dignity“ ein gewählter Start. Der fulminante Auftakt versteckt sich hinter Vokalisen, die mit der Hammond-Orgel und den technisch verspielten Gitarren an Fahrtwind gewinnen. Auch jetzt findet sich ein cinematisches Sample einer Männerstimme, die unverständlich vor sich hin spricht und den Übergang zu einem ersten kleinen Solo übernimmt. Bereits jetzt haben Opeth bewiesen, dass „In Cauda Venenum“ nicht bloß ein weiteres Retro-Prog Album ist, sondern frischen Wind in die Welt der schwedischen Prog Metal Pioniere bringt. So wie „Dignity“ beginnt ist es ein monströser Auftakt, der dann durch eine akustische Passage unterbrochen wird. Der Vergleich mag offensichtlich sein, doch hier klingen Opeth fast wie als hätte Steven Wilson seine Finger mit ihm Spiel gehabt. Gefühlvoll und detailverliebt baut sich diese Passage leicht auf und erinnert an Songs, die man auch auf „The Raven That Refused To Sing“ hätte packen können. Der einzige Unterschied ist ein insgesamt härterer Gitarrensound, sowie das kraftvoll gespielte Schlagzeug.
„Lovelorn Crime“ ist ein Song, der auf balladeske Art und Weise ebenfalls nach Steven Wilson klingt und das Tempo aus dem wilden Start des Albums etwas entzerrt. Orchestral und getragen schleppt sich „Lovelorn Crime“ mit Vokalisen dahin und fokussiert sich eher auf schöne Melodieläufe in den Violinen und Gitarren, anstatt auf technische Taktungen zu bauen. Das liebevoll gespielte Piano und das gefühlvolle Gitarrensolo machen diesen Song zu einem der emotionalsten Erfahrungen, die es auf „In Cauda Venenum“ zu hören gibt.
Der folgende Track, „Charlatan“, knüpft aber eher daran an was „Dignity“ und „Heart In Hand“ bereits vorweg nahmen. Einen harten Song, der irgendwo zwischen Progressive Metal-Breaks und psychedelischem Prog-Rock mäandert und durch seine rhythmische Auslegung ein wahrer Garant für jeden Prog-Nerd ist. Klar, vergleicht man einen Track wie „Charlatan“ mit „Heir Apparent“, ist dieser vergleichsweise soft. Es wird sie immer geben, die Nostalgiker, die sich ein zweites „Blackwater Park“ wünschen. In den letzten Jahren haben sich Opeth aber auch weiterentwickelt zu einer Band, die ihre Metalaspekte hinter denen des Progressive Rock versteckte und nur selten hindurchblitzen ließ. In Songs wie „Charlatan“ funktioniert dies bestens und zeigt sich insbesondere im Riffing, das mit orientalisch-klingenden Skalen eine gewisse Dream Theater Reminiszenz aufbaut, diese aber mit der fast schon Opeth-klassischen Hammond Orgel erweitert.
„The Garroter“ wirkt fast schon wie der Soundtrack in einem vaudeville-schen Film. Verspielt, virtuos und mit einem gewissen Folk-Touch wirkt eben dieser Track nochmal anders. Beginned mit einem kurzen Solo auf der Akustikgitarre sind es die Piano Akkorde, die die Brücke hin zum angejazzten und düsteren Anfang bauen. Das mysteriöse Setting, welches „The Garroter“ mit der Inkoperation der viele Instrumente kreiert, passt theoretisch auch auf ein neues The Dear Hunter-Album, während der Gesang weitestgehend narrativ fungiert und sich angenehm und unaufdringlich dem instrumentalen Spiel fügt. Die Referenz zu The Dear Hunter ist insofern spannend, als das einige Parts die orchestrale und opereske Wirkung deren Musik reminiszieren. Opeth lassen sich Zeit und bauen auf repetitive Parts, die mit Brillanz in der Produktion wahrlich scheinen. Insbesondere die akustischen Gitarren wirken so voll und warm, wie ein sonniger Herbstmorgen voller buntem Laub und Morgenröte. Passend, dass das Release von „In Cauda Venenum“ in den Herbst fiel, denn stimmungstechnisch passt dieses Album in diese Jahreszeit am besten. Teils kalt und düster, ist es oft ein Wechselspiel zwischen der Wärme und ihrem Komplementär, wie auch der eisige Anfang von „All Things Will Pass“ untermalt.
Mit einem solch nihilistischen Titel setzen Opeth am Ende ihres Albums einen weiteren Akzent, der sich mit der Zeit Stück für Stück aufbaut und den bereits im Bann gezogenen Zuhörer mit einem harten und monumentalen Riff auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Mit einer schön gespielten Klaviermelodie leiten Opeth das große Finale des Albums ein. Die leitmotiv-artige Gitarrenmelodie im Ende von „All Things Will Pass“ ist so wunderschön, nostalgisch angehaucht und charmant eingebaut, dass sie für einen Moment in ihrer Simplizität einfach nur zu begeistern weiß. Man hat das Gefühl, als dürfte dieses doch eher sanfte Finale nie enden, doch zieht die Musik mit der Zeit dahin und verleisert sich bis hin zur Stille.
„In Cauda Venenum“ arbeitet mit vielen Soundscapes, die eine ganz neue Atmosphäre in den Klang der Band mitbringen. Auch der Gesang von Mikael Akerfeldt ist experimenteller, nicht zu letzt auch, weil es eine schwedische Version des Albums gibt. Die Zeichen stehen generell auf Veränderung, was auch im Sound des neuen Albums zu verorten ist und durchweg über die Unterschrift von Opeth passt.
Foto: Opeth / Offizielles Pressebild
In Cauda Venenum
Künstler: Opeth
Erscheinungsdatum: 27.09.2019
Genre: Progressive, Rock
Label: Nuclear Blast
Medium: CD, Vinyl
- Garden Of Earthly Delights
- Dignity
- Heart In Hand
- Next Of Kin
- Lovelorn Crime
- Charlatan
- Universal Truth
- The Garroter
- Continuum
- All Things Will Pass

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