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Heavy MetalPower Metal
Kritik: H.E.A.T. – „Welcome To The Future“
Die 80er haben angerufen und wollen ihre Ohrwürmer zurück!
VON
Tobias Tißen
AM 20/04/2025
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(Glam- und Hair-)Metal kletterte in den 1980er Jahren nicht umsonst an die Spitze der Pop-Charts: Bands wie Mötley Crüe, Poison oder auch die frühen Bon Jovi lieferten zuckersüße Ohrwurm-Melodien statt brutale Nackenbrecher. Genau diese Vergangenheit des Metal rief vor fast 20 Jahren in Schweden an – und H.E.A.T nahmen den Hörer ab; hörten aufmerksam zu.
Seitdem bemüht sich die Band um Frontmann und Rückkehrer Kenny Leckremo, der 2020 den damals passenderweise zu Skid Row abgewanderten Erik Grönwall ersetzte, um die Renaissance des 80er-Metal- und Hard-Rock-Sounds. Mit Erfolg. Ihr neuntes Studioalbum heißt jetzt aber trotzdem nicht „Back To The 80s“, sondern „Welcome To The Future“. Und was paradox klingt, passt tatsächlich: Die Schweden katapultieren den klassischen, hymnischen 80s-Hard-Rock- und -Metal-Sound in die heutige Zeit, verzieren ihn mit 2025er-Power-Metal-Zuckerguss und verpacken das alles in eine perfekt klingende Produktion.
H.E.A.T. sind absolute Hook-Maschinen!
Dass H.E.A.T. sich nicht mit einem vorsichtigen Intro aufhalten, zeigt bereits der Opener „Disaster“: Er beginnt mit schimmernden Synthesizern, bevor ein treibender Beat einsetzt, der sich innerhalb von Sekunden in eine mitreißende Hard-Rock-Hymne steigert. Kenny Leckremos Stimme reißt sofort mit – kraftvoll und deutlich rauer als die von Erik Grönwall, aber trotzdem mit einer Theatralik, die an die großen Glam-Frontmänner der 80er wie David Lee Roth und Vince Neil erinnert. Spätestens wenn der Refrain explodiert, ist klar: Wir haben einen ersten Hit!
Und kaum ist „Disaster“ verklungen, zünden H.E.A.T. mit „Bad Time for Love“ die nächste Stufe. Die Strophen werden von kraftvollen Drums angetrieben, während sich im Refrain alles in purer Euphorie auflöst. Und dann kommt das Gitarrensolo – ein glitzerndes, melodisches Highlight, das von Dave Dalone mit maximaler 80s-Attitüde gespielt wird. Der Opener-Ohrwurm wird direkt vom nächsten verdrängt.
Tatsächlich geht’s mit genau dieser Energie weiter. Den Einstieg mit knackigen Drums, die schon bald von virtuoser Gitarre umspielt werden, bevor Gang Shouts endgültig mitreißen, hätten Mötley Crüe 1984 kaum besser hingekriegt. Ist „Welcome To The Future“ das beste 80s-Album seit den 80ern?
Bon Jovi x Avantasia
Die Energie der ersten drei Tracks können H.E.A.T. nicht ganz halten. Mit den folgenden „Call My Name“ und „In Disguise“ drosseln sie das Tempo erstmals – dank Leckremos Bombast-Organ und Dalones perfekt sitzender Lead-Gitarre sind aber beide zwar keine Hits, aber auch weit entfernt von reinen Fillern.
Eine kleine Verschnaufpause, die auch bitter nötig war. Denn wenn „The End“ mit schillerndem Stakkato-Keyboard einsetzt, fühlt man sich wahrscheinlich nicht ganz unbeabsichtigt an Bon Jovis „Runaway“ erinnert. Tatsächlich könnte der Song problemlos vom Debütalbum der New-Jersey-Rocker stammen, die sich damals noch tief im Hair Metal suhlten. Und neben der ganz offensichtlich Pate stehenden Über-Hymne „Runaway“ vielleicht sogar der größte Hit der 1984er Platte.
Waren die Songs bis hierher noch hauptsächlich im klassischen Hard-Rock, AOR und 80s-Metal verankert, nehmen jetzt die Power-Metal-Elemente zu. Das geht so weit, dass „Children Of The Storm“ mit seinen epischen, hymnischen Harmonien auch locker aus der Feder von Avantasia-Mastermind Tobias Sammet stammen könnte. Hat sich die Stimme von H.E.A.T. etwa bei seinem Gastauftritt auf deren erst kürzlich erschienenen Album „Here Be Dragons“ vom Metal-Oper-Meister inspirieren lassen?
Zwischen Hochglanz und roher Energie
Dass all die Songs auf „Welcome To The Future“ so druckvoll und lebendig klingen, liegt auch an der makellosen Produktion. H.E.A.T. haben sich für einen modernen, klaren Sound entschieden: Die Gitarren haben Schärfe und Punch, die Drums sind stadiontauglich-wuchtig inszeniert. Und die Keyboards, denen auf diesem Album eine besonders wichtige Rolle zukommt, sind immer glänzend, aber nie überladen. Und zusammengehalten wird alles von Kenny Leckremo, der immer genug Raum bekommt, um zu beweisen, dass er eines der gewaltigsten Stimmorgane im modernen Metal besitzt.
Das große ABER von „Welcome To The Future“
Je länger sich die Platte dreht, desto deutlich wird leider, dass wir es eben nicht mit dem besten 80s-Album seit den glorreichen 80ern zu tun haben. „Losing Game“ ist nochmal eine schöne Kombination aus Mötley-Crüe-Riffing und Europe-Keyboards, aber schon hier und spätestens bei den letzten Songs des Albums wird das alles ganz schön repetitiv.
H.E.A.T. waren nie eine progressive Band mit vielschichtigem Songwriting. Und das wollen und sollen sie auch nicht. Aber auch wenn sich weiterhin so gut wie jede Hook klebrig-süß in den Gehörgängen festsetzt, wird immer klarer, dass hier zehn statt zwölf Songs vollkommen ausgereicht hätten. So geht „Welcome To The Future“ hintenraus ein wenig die Luft aus.
EY, H.E.A.T. – WO IST DIE POWER-BALLADE??!
Und das liegt vor allem auch an einem großen Fehlgriff. Wenn man schon ein so stark vom Cheese-Metal der 80er inspiriertes Album macht, dann BEENDET MAN ES GEFÄLLIGST MIT EINER POWER-BALLADE! „Home Sweet Home“, „I Remember You“, „Every Rose Has Its Thorn“ – jeder weiß, dass die Balladen immer die größten Hits der als große Inspirationsquelle dienenden Bands waren. Und da ist es schon enttäuschend, dass „Welcome To The Future“ komplett auf eine solche verzichtet. Ganz davon abgesehen, dass so nochmal ein wenig Abwechslung in die zweite Albumhälfte gekommen wäre.
Foto: Marcel Karlsson / Offizielles Pressebild
H.E.A.T News
Welcome to the Future
Künstler: H.E.A.T
Erscheinungsdatum: 25.04.2025
Genre: Rock
Label: earMUSIC
Medium: CD, Vinyl, etc
- Disaster
- Bad Time for Love
- Running to You
- Call My Name
- In Disguise
- The End
- Rock Bottom
- Children of the Storm
- Losing Game
- Paradise Lost
- Tear It Down (R.N.R.R.)
- We Will Not Forget

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