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Kritik: Grafi - "Ektoplasma"
Wenn man einmal die Augen schließt und sich vorstellt, es gäbe keine Genres und die damit verbundenen Grenzen, dann sieht ...
VON
Kevin Postir
AM 26/05/2020
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Wenn man einmal die Augen schließt und sich vorstellt, es gäbe keine Genres und die damit verbundenen Grenzen, dann sieht man wahrscheinlich genau das, was der Berliner Musiker Grafi immer sieht.
Mit „Ektoplasma“ erschien am 15. Mai 2020 bereits der dritte Longplayer, auf dem der Musiker die unterschiedlichsten Einflüsse aus Trap, Hip Hop, Metal und Horrorcore vereint.
Generell ist zu sagen, dass es in jedem einzelnen der acht Songs spürbar ist, dass sich Grafi ein Stück weit zwischen den Welten Hip Hop und Metal bewegt. Er selbst begann schon früh Rap zu schreiben, spielte später allerdings auch in diversen Metal-Bands, und vereint nun die unterschiedlichen Einflüsse, die ihn prägten.
Grafi balanciert auf seinem neuen Album „Ektoplasma“ gekonnt auf den Genregrenzen
Bereits der erste Song ist der Titeltrack „Ektoplasma“. Das Stück beginnt ruhig, mit einem nahezu mystischen Sound, der durch elektronische Gitarren und einen 808-Beat ergänzt werden. Bereits in den ersten Takten des Songs gelingt die Fusion der unterschiedlichen Stilrichtungen.
Das Hauptaugenmerk liegt generell auf der Stimme, die durch Autotune bearbeitet wurde. Zusätzlich wird der Gesang im Verlauf des Songs durch diverse Background-Screams unterstützt, wodurch die Emotionen, die dem Song innewohnen, stärker herausgearbeitet werden.
Inhaltlich geht es in „Ektoplasma“ um die endlose Suche nach Glück, die durch depressive Schübe erschwert wird und aus der letztlich eine konstante Aufbruchsstimmung resultiert. Die damit verbundenen Qualen und Unruhen werden besonders durch den Gesang verdeutlicht.
Anmerkung der Redaktion: Solltest du selbst das Gefühl haben, dass du dich in einer belastenden Situation befindest, dann kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du anonym Hilfe von Beratern, die mit dir Auswege aus schwierigen Situationen finden und eine tolle Stütze sein können. Danke, dass du es versuchst!
„Dolch Sage“ überrumpelt den Hörer beinahe mit einem gradlinigen Blastbeat, der zusätzlich durch einen elektronischen Beat ergänzt wird. In diesen mündet das Intro, sodass sich für eine Strophe klassische Trap-Elemente durchsetzen. Über den zweiten Blastbeat des Songs wird kurzerhand gerappt, sodass dieses Element eine ganz neue Daseinsfunktion erhält, wie man sie in dieser Form sehr selten, wenn nicht sogar noch nie, gehört hat.
Der Song „Neptun“ wurde bereits vor Veröffentlichung von „Ektoplasma“ präsentiert und zusätzlich mit einem Musikvideo versehen. Der Flow des Songs ist auffallend stark, sodass er gleich von Beginn an zündet. Die Atmosphäre wird hautsächlich durch den Mix aus Hintergrundsound und Rhythmus geschaffen. Wie sehr die unterschiedlichen Stile auch im Gesang miteinander verschmelzen, wird immer dann deutlich, wenn die einzelnen Zeilen des Songs in Screams münden.
Insgesamt ist der Song sowohl durch seine Struktur, die einem klassischen Song-Schema entspricht, als auch durch seine Melodie und Atmosphäre sehr eingängig. Inhaltlich behandelt er die Einsamkeit einer Person, die sich im Laufe der Zeit immer weiter zurückgezogen hat.
Durch das Aufgreifen solch gesellschaftlich-relevanter Themen gibt Grafi wichtige Einblicke und zeigt Schattenseiten auf. Auch der Song „Mahlstrom“ weist eine besondere Schwere auf, die ebenfalls im Text verdeutlicht wird. Inhalt ist die Suche nach Erfüllung und Liebe, in einer Depression enden kann.
„Nevada“ greift darüber hinaus das Thema Verlustangst auf und schildert es in einer sehr direkten und persönlichen Art und Weise. Der Refrain zieht sich allerdings ein Stück weit, wodurch der Song aus Stimmungssicht vor sich hinplätschert und nicht im Maße seiner Vorgänger beim Hörer zündet.
„Insomnia“ stellt ein weiteres Highlight auf „Ektoplasma“ dar. Der Gesamtsound des Songs ist so aufgebaut, dass ein Spieluhr-Samuel durch einen dezenten 808-Beat und einen sphärischen Sound-Teppich ergänzt wird. Das Ergebnis ist ein eingängiger Klang, der auf der einen Seite stechend scharf ist, auf der anderen Seite durch die geschaffene Atmosphäre eine Menge Raum für die Stimme bietet, welche sich in der zweiten Hälfte des Songs zu Screams wandeln und weitere Metal-Elemente mit in den Song einbeziehen.
Dabei wirkt das Stück zu keinem Zeitpunkt überladen, sondern behält trotz allem seine Linie.
Diese Erscheinung bietet „Dämmerung“ ebenfalls. Besonders die düstere Atmosphäre baut sich konstant auf, bis der Song in Screams endet, die nur so vor Wut und Kraft strotzen. Allerdings ist der Track mit einer Länge von 2:21 Minuten eher kurz gehalten und wirkt ein Stück weit wie eine Art Überleitung zum nächsten Track.
Ganz anders ist das bei „Palmen“, dem letzten Song des Albums. Dieser ist mit 4:34 Minuten deutlich länger und weist für einen Trap-Song nahezu Überlänge auf. Besonders von technischer Seite beweist das Stück einmal mehr das Talent des Künstlers.
Die Strophen weisen die klassischen Trap-Elemente auf, die durch Gitarrensounds und Blastbeats ergänzt werden. Gegen Ende des Songs zieht sich dieser allerdings und wird repetitiv, was größtenteils der Länge des Songs geschuldet ist.
Foto: Basti Grim / Offizielles Pressebild
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