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Kritik: Fox Lake - "Silence & Violence"
Mit Fox Lake formierte sich schon vor etwa drei Jahren eine Band mit einer Menge Potential. Leider schwirrten die vier ...
VON
Julia Lotz
AM 21/10/2020
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Mit Fox Lake formierte sich schon vor etwa drei Jahren eine Band mit einer Menge Potential. Leider schwirrten die vier Herren bislang ein wenig unter dem Radar. Nicht weiter verwunderlich, wenn man sich die bisherigen Releases des Quartetts anschaut, konnten sie bislang doch erst drei Songs, die als Self-Release erschienen sind, ihr Eigen nennen.
Doch auch mit diesen drei Songs namens „Death From Above“, „Chosen Blood“ und „Tust Issues“ konnte die Truppe schon einige Hörer auf sich aufmerksam machen und schaffte es in diverse Streaming-Playlists, die sich neueren Crossover-Tönen verschrieben.
Mittlerweile steht die Band bei Modern Empire Music, dem offiziellen Rebrand von Stay Sick Records, dem Label von Attila-Frontmann Chris Fronzak, unter Vertrag. Grund genug, endlich mit dem ersten Album „Silence & Violence“ durchzustarten.
Wobei – können wir hier überhaupt von Album sprechen? Insgesamt acht Titel sind auf der Platte zu finden. Andere deklarieren eine acht Tracks starke Platte eher als EP als als Album. Vermutlich sind die Übergänge hier fließend und immerhin steht nun überhaupt ein erster größerer Output von Fox Lake in den Startlöchern. Nennen wir es einfach Release!
Fox Lake liefern mit „Silence & Violence“ ein deftiges Debüt
Vorab als Single koppelte die Band im Zuge der Albumankündigung den Song „Tunnel Vision“ aus, seines Zeichens der Opener von „Silence & Violence“. Der Track liefert direkt einen guten Querschnitt des Sounds. Raps, Screams, eingängige Gitarrenriffs, Metal-Sound, unterbrochen von diversen Breakdowns.
Die Band selbst nennt ihren Sound Hardcore Rap, was womöglich noch auf die ersten drei Singles abseits dieses Erstlings-Werks ein Stück weit zutreffen mag, hier aber mittlerweile relativ fehl am Platz ist. Natürlich lässt sich erneut über Genregrenzen streiten, doch hier hört man eher den Metal- als den Hardcore präsent nach vorne preschen.
Der Spaß knallt ordentlich rein und erinnert in der Songstruktur stellenweise an Of Mice & Man („Pain“) oder The Ghost Inside („Pressure Point“) sowie in den Rap-Parts an Limp Bizkit. Fox Lake reiten hier klar auf der Welle neuer Nu-Metal(core)-Ströme, die sich in den vergangenen Jahren etablierte. Während sich manche Acts hier stärker an Strukturen aus dem Metalcore bedienen (z.B. Blood Youth), legt die vierköpfige US-Kombo den Fokus stärker auf Rap.
„484“ beispielsweise klingt auf gesanglicher Ebene ebenfalls wie einen sehr metallische Mischung aus Limp Bizkit und Marilyn Manson. Natürlich machen Fox Lake kein Industrial, doch wenn wir die Phrase „that new shit“ hören, können wir ja nicht anders als an Manson zu denken, was? Aber auch die gescreamten Passagen erinnern hier an Herrn Manson.
Die Rap-Line wird begleitet von Bass und Gitarre, wodurch die abwechslungsreiche Songstruktur untermalt wird. Ein geübtes Zusammenspiel!
Für den zweiten Track des Albums, der ebenfalls als Single erschien, schnappten sich Fox Lake Gideon-Frontmann Daniel McWorther als zusätzlichen Schreihals. Getreu dem Motto „härter = besser“ dürfen wir uns auf „Codename“ über einen sehr straighten Track freuen. Melodie ist zwar irgendwo vorhanden, wird allerdings durch treibende Drums und Screams fast ein bisschen in den Hintergrund gedrängt.
Nach Breakdown Nummer… Ähm nach welchem Breakdown eigentlich? Egal. Im letzten Drittel des Songs jedenfalls überzeugt der Gideon-Sänger mit einer Gesangseinlage par excellence. Hier bleibt sicherlich kein Kopf ohne zu nicken auf dem Hals sitzen.
Auf „Silence & Violence“ ist ein weiteres Feature mit einem bislang eher unbekannteren Künstler namens Kaiden Koutsoukos auf dem Song „Fake Life“ zu finden. Der Musiker ist Sänger der Band Pave Low, die ebenfalls aus Colorado kommen und Fox Lake das ein oder andere Mal bei Shows unterstützen.
Das Feature klingt, als hätte Koutsoukos nie etwas anderes gemacht, als bei der Band mitzusingen. Auch Pave Low machen nach eigenenen Angaben Nu-Metalcore, also nicht weiter verwunderlich, dass der Sänger sein Metier beherrscht.
Musikalisch hebt sich „Fake Life“ nicht arg von den anderen Songs ab. In den Strophen geht es hier ein wenig schneller voran – also ist womöglich doch ein bisschen Hardcore geblieben?
Album oder EP?
Den Songs auf „Silence & Violence“ kann man womöglich vorwerfen, dass sie sich nicht sonderlich stark voneinander unterscheiden. Eine Ausnahme machen die Titel 3 und 7, die sich mit den Namen „L’assassiano“ und „deKoevend Park“ schon schriftsprachlich vom Rest der Tracklist abheben. Beim Reinhören nicht weiter verwunderlich: Die Songs sind Interludes.
Aus schon nur acht Songs der Scheibe werden also plötzlich sechs. Natürlich können Interludes ebenso als Songs betrachtet werden wie die restlichen Stücke der Scheibe, doch meines Erachtens passen sie hier nicht rein, weder thematisch noch lyrisch oder atmosphärisch, und sind eher als Filler gedacht. Schade.
Als zweite Single brachten Fox Lake vor einigen Wochen „Homewrecker“ an den Start, seines Zeichens Titel Nummer 6. Im Vergleich zu „Tunnel Vision“ ist der Song weniger verspielt, wobei man von Verspieltheit beim Sound der Kombo generell kaum reden kann.
Die Single steigt ziemlich hart ein und kennt nur einen Weg: Nach vorne. Der Wechsel zwischen Rap und Screams kommt überraschend, wird stets unterbrochen von Breakdowns und einem treibenden Bass.
Beendet wird „Silence & Violence“ mit „IYKYK“, einer Abkürzung für“ If you know, you kow“. Der Song wartet mit melancholischem Clean-Gesang im Refrain auf, einem Stilmittel, das wir auf den restlichen Songs der Release noch nicht entdeckt haben.
Im Vorfeld nutzten Fox Lake diesen atmosphärischen Sound u.a. bereits auf „Trust Issues“. Passt zwar in den Track, gibt ihm aber keinen Mehrwert. Er hätte also auch ohne gut funktioniert.
Auf „Silence & Violence“ liefert die Band aus Colorado sechs echte Banger, die Freunde von Nu-Metal(core)-Vibes und Crossover-Sounds wunschlos glücklich stimmen sollten. Die Tracks gehen straight nach vorne und lassen verspielte Melodien vermissen – sofern man diese überhaupt erwartet.
Abzüge gibt’s in der B-Note, da wir auf diesem Album letztlich nur sechs Songs zu hören bekommen. Vermarktungstechnisch ist hier noch Luft nach oben. Wir sind uns aber sicher, dass das Quartett mit ihrem Erstlingswerk den Grundstein in der Szene gelegt hat und wir zukünftig noch deutlich mehr von ihnen hören werden.
Bild: Offizielles Artwork zu „Silence & Violence“
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