Review
Rock
Kritik: Cold Years - "Paradise"
Es wird fast schon langweilig – beinahe jede Band, die in diesem Jahr ein neues Album veröffentlicht, hatte große Pläne, ...
VON
Mauritz Hagemann
AM 06/09/2020
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Es wird fast schon langweilig – beinahe jede Band, die in diesem Jahr ein neues Album veröffentlicht, hatte große Pläne, die allesamt Pandemie-bedingt abgesagt, verschoben und verkleinert werden mussten. So verhält es sich auch bei Cold Years.
Die Schotten hatten ursprünglich sogar den 08. Mai dieses Jahres als Release-Termin für „Paradise“ geplant, verschoben ihn dann angesichts der im Frühjahr dramatischen Situation in ihrer Heimat auf den September. Und hat sich die Situation geändert? Leider nicht. Zwar ist das Leben in Aberdeen, der Heimatstadt der Band, trotz eines zwischenzeitlich neuen Lockdowns mittlerweile wieder zu mehr Normalität zurückgekehrt; an große Touren oder ausschweifende Release-Partys ist daher weiterhin nicht zu denken. Aber nochmal verschieben wollte man das Debütalbum, auf das die Band sechs Jahre hingearbeitet hat, auch nicht – und das ist auch gut so, denn wenn schon keine Live-Shows, wie wir sie kennen, in Aussicht sind, können wir uns zumindest über neue Musik freuen.
Cold Years liefern mit „Paradise“ ein gelungenes Debüt
Diese Freude wird dann auch beim Hören des Openers “31”, benannt nach dem Alter von Sänger Ross Gordon, größer, denn der Song nimmt die Hörer mit dem verhaltenen, aber stimmungsvollen Akustik-Einstieg direkt mit auf die Reise in die Gefühls- und Gedankenwelt der Band, deren Gründung einst bei einer Kneipen-Tour durch Aberdeen beschlossen wurde.
Nicht nur “31”, sondern auch der schon vorab als Single veröffentliche zweite Song “Life With A View” zeigen nicht nur ein gelungenes und durchdachtes Songwriting, sie offenbaren auch schon beim ersten Hören absolutes Ohrwurmpotential.
Das liegt sicher auch an der markanten Stimme von Ross Gordon, bei denen ich jedenfalls an einigen Stellen an Rise Against-Sänger Tim McIlrath erinnert werde. Übrigens gelingt es durch die klare Artikulation des Sängers auch Nicht-Muttersprachlern problemlos, die Lyrics zu verstehen und sich so in das Leben von jungen Menschen in Schottland hinein zu versetzen – zerrissen zwischen Brexit und dem Streben nach eigenen Zielen und Unabhängigkeit.
Auch die Produktion des Albums trägt ihren Teil dazu bei, dass man beim Hören nicht den Spaß verliert. Sicher, an einigen Stellen merkt man, dass die Band hoch hinaus will und daher Wert auf einen relativ glatten und mainstream-tauglichen Sound gelegt hat, doch die raue Stimme von Gordon und der Mix machen schon noch deutlich, dass sich die Band weiter im Alternative-Bereich zuhause fühlt.
Auch das Songwriting steht auf gesunden Punkrock-Füßen, wenngleich man hier noch ein wenig mehr Abwechslung hätte erwarten dürfen.
Dass sich die Band mit dem Debütalbum bewusst Zeit gelassen hat, erkennt man auch an dem durchweg hohen Niveau des Longplayers. Zwar wird es an einigen Stellen etwas eintönig, doch gerade Songs wie “Dropout” und “62” zeigen mit ihren eingängigen Melodien am Ende noch einmal, dass sie definitiv mehr als Lückenfüller sind.
Übrigens war der Opener “31” ursprünglich als letzter Song geplant, doch auch “Hunter” – komplett akustisch gehalten – erfüllt die Aufgabe des Rausschmeißers hervorragend.
Foto: Eleanor Freeman / Offizielles Pressefoto
Paradise
Künstler: Cold Years
Erscheinungsdatum: 04.09.2020
Genre: Rock
Label: Eone Music
Medium: CD
- 31
- Life With A View
- Night Like This
- Northern Blues
- Breathe
- The Waits
- Burn The House Down
- Electricity
- Too Far Gone
- Hold On
- Dropout
- 62 (My Generation's Falling Apart)
- Hunter
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