Kritik: Casper - "nur liebe, immer."

Casper. Ein Musiker, der im Laufe seiner Karriere bereits mehrmals für Erschütterungen und Richtungswechsel innerhalb der Musikwelt gesorgt hatte. Mit seinem neuen Album „nur liebe, immer.“ kehrt der Musiker auf der einen Seite zu seinen Wurzeln zurück, warf hingegen beim Entstehungsprozess einige Gewohnheiten über den Haufen. Ob sich dies auch in der neuen Musik, die am 24. November 2023 erscheint, widerspiegelt, das erfahrt ihr in unserer ausführlichen Review.

Casper verspricht auf seinem neuen Album „nur liebe, immer.“

Während das Vorgängeralbum „Alles war schön und nichts tat weh“ versöhnlich mit der Schwere des Todes und des Verlustes umging, ist eines der grundlegenden Themen von „nur liebe, immer.“ – wer hätte es gedacht – die Liebe selbst. Die Vielseitigkeit dieses Themas und die farbenfrohen Facetten verpackt Casper auf insgesamt zwölf Songs inklusive einem Intro- und Outro-Track.

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Bereits beim Entstehungsprozess beschritt der Musiker neue Wege. So entstand die Platte vielmehr durch einen Zufall. Während vergangene Werke meist ein Konzept oder ein zielgerichtetes Thema besaßen, wurde bei „nur liebe, immer.“ einfach drauf losgeschrieben.

Zwischen Moderne und Retro

Wenn sich ein:e Künstler:in in der heutigen Zeit dazu entscheidet, sowohl ein Intro als auch ein Outro auf eine Platte zu bringen, dann sollte auch darauf eingegangen werden! Das kurze, sanfte Intro auf „nur liebe, immer.“ wird ausschließlich von Blechbläsern gespielt. Dabei erinnert es in seiner Grundstimmung an den Intro-Teil des Titeltracks zu „Alles war schön und nichts tat weh“, verhält sich allerdings deutlich ruhiger. Auch das Outro greift dieses Thema auf, schafft dabei einen schönen Bogen um die Platte und endet in einem musikalischen Flimmern.

Das Thema Liebe, welches über dem gesamten Album schwebt, wird in den unterschiedlichsten Facetten besprochen. So bringt Casper mit „echt von unten / zoé freestyle“ zum einen die Liebe zur eigenen Geschichte und zu sich selbst zum Ausdruck, zeitgleich verteilt er unterschwellige Punchlines in Richtung des aktuellen Gangster-Raps. Das Ganze verpackt in einem minimalistischen Beat, der den Freestyle-Charakter stark unterstützt. „immer noch nervös“ beschreibt die Gedanken an vergangene Lieben. Auffallend ist, dass der Song deutlich mehr Refrain-Anteile besitzt und dadurch einfacher zu greifen scheint. Inhaltlich wirkt hingegen der Text in seiner naiv-kindlichen Art bei einem eingesessenen Musiker wie Casper ein Stück weit befremdlich.

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Als dritte Liebesseite, die hier besprochen werden soll, ist die Liebe zur eigenen Heimat in „nur liebe, immer.“ auffallend. Mit „verliebt in der stadt die es nicht gibt“ besingt der Musiker das Verhältnis zu seiner Heimat Bielefeld. Dabei wird das Verhältnis Caspers mit seinem Weggang aus Bielefeld, dem Umzug nach Berlin und dem stetigen Rückzugsort in der Heimat reflektiert dargestellt und atmosphärisch, gleichzeitig aber ruhig untermalt. Diese Reflektion steht dem Künstler an seinem heutigen Schaffenspunkt deutlich besser, als es zuvor bei „immer noch nervös“ der Fall war.

Moderne Beats, aber…

Der Trend zu treibenden, elektronischen Beats unter Raps-Songs geht auch an Casper auf „nur liebe, immer.“ nicht vorbei. Auf der Single „emma“ konnte dies bereits schon vor dem Release der neuen Platte gehört werden. Hier wirkt das Stilelement noch mit am besten, denn es ist äußerst dezent, passt inhaltlich zum unterkühlt-emotionalen Songtext, der Flucht in ein Nachtleben, und rundet den Song schlichtweg ab.

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„falsche zeit, falscher ort“ stellt das konkrete Gegenteil dar. Hier ist besonders auffallend, dass sich der elektronische Beat vornehmlich im Refrain mit selbigem beißt. Das sorgt beim Hören zu verwirrtem Stirnrunzeln und wirkt aus musikalischer Sicht unrund.

Singleauskopplungen, aber…

Die Singles, die abgesehen von „emma“ bereits das Licht der Welt erblicken durften, verfehlten ihre Wirkung ein Stück weit. Weder „sowas von da (hellwach)“, noch „sommer“, der mit Musiker Cro gefeatured wurde, sorgten für ein Aufrütteln in der Musikwelt. Beiden Songs fehlt der letzte Funke, der zu einer musikalischen Explosion führen würde. So wirken beide Tracks spürbar monoton und plätschern vor sich hin, ohne im Gehör zu bleiben. Eigentlich eine Eigenschaft, die man von einer Single erwarten sollte.

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…aber es gibt Highlights!

Es gibt zwei Songs, die an dieser Stelle besonders herausgestellt werden sollten, da sie etwas Besonderes in sich tragen. Zum einen ist das „bist du noch da?“. Ein Track, der sowohl medienkritisch ist, gleichzeitig aber auch persönliche, emotionale Folgen des ständigen „Online-Seins“ beschreibt. Das Ganze verpackt in einen groovigen Sound, der deutlich besser zu Casper passt.

Der zweite Track ist „luft holen“. Hier beschreibt Casper den Versuch dem Alltag zu entfliehen, und gleichzeitig das Problem, nicht abschalten zu können. Ein Ereignis, das sicherlich zahlreiche Personen so oder ähnlich kennen. Der Musiker zeigt sich damit offen, nah und verletzlich, was spürbar ist und positiv auffällt. Hier kommen die Emotionen durch, die man aus älteren Alben kennt und liebt. Auch hier wirkt der besondere Groove und rundet das Stück von musikalischer Seite bestens ab. Alles in allem lässt „nur liebe, immer.“ daher gemischte Gefühle zurück.

Foto: Chris Schwarz / Offizielles Pressebild