Review

Death Metal

Kritik: Arch Enemy – "Blood Dynasty"

Moderne Metal-Monarchie.

VON

Über 30 Jahre haben sich die schwedischen Melodic Death Metalheads Arch Enemy ihr Imperium aufgebaut. Der Ruf als eine der größten, modernen Metalbands unserer Zeit eilt ihnen voraus. Rechtzeitig zum dreißigsten Jubiläum, bannen sie ihre Dynastie in Noten und Text auf das zwölfte Studioalbum „Blood Dynasty“. Ob dieses ihrer königlichen Karriere nun die Krone aufsetzt, oder, ob nach dem großen Gemetzel nur Blut und Asche übrig bleiben, führen wir uns hier zu Gemüte.

In der Metal-Szene ist es jetzt schon ein Highlight des Jahres: nach dreißig Jahren steil nach oben rasender Karriere veröffentlichen Arch Enemy ihr zwölftes Studioalbum, das passenderweise den vielversprechenden Titel „Blood Dynasty“ trägt. Was jedoch zunächst eine Zusammenfassung ihres über drei Dekaden aufgebauten Imperiums verspricht, ist ein durchaus für sich stehendes Werk geworden, dass nicht zurückschaut und dennoch alle verlangten Arch Enemy-Trademarks enthält, die Fans und Kritiker seit jeher staunen lassen – aber auch einen frischen Wind hereinbringt, der die Band weiter vorne in der modernen Metalszene mitspielen lässt.

Royale Brutalität

In über 40 Minuten fetzen die sechs Musiker durch elf Tracks (bzw. zehn Tracks und ein Interludium), die vor allem beweisen: heavier geht immer! Bereits die erste Hälfte der Platte enttäuscht nicht, was Headbang-Qualität angeht, egal ob mal schnell voran geprescht wird („Dream Stealer“) oder schwer nach vorne gegrooved („Illuminate the Path“).

Allen Songs liegt eine Royalität inne, die vor allem der Einsatz von klassischen Instrumenten, wie Piano oder gar einem ganzen Orchester („Dream Stealer“, „A Million Suns“) bewirkt.

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Der bewährte Schatzmeister

Bandchef, Gitarrist, Gründer und Songwriter Michael Amott hat ganze Arbeit geleistet. Vor allem seine Gitarrenarbeit verleiht jedem Track eine gewisse Epik und Dramatik – gerade zum Schluss der Songs, wenn Amott wiederholt seine flinken Finger beim Soli spielen unter Beweis stellt.

Arch Enemy sind sich, gerade was Songaufbau und -struktur angeht, treu geblieben: das klassische Strophe-Refrain-Soli-Konzept (und ab und zu eine kleine Bridge) wird auf „Blood Dynasty“ fortgeschrieben und besteht somit auch den Faust-in-die-Luft-hauen-Test – juhuu!

Moderne Metal-Monarchie

Dennoch kann man nicht behaupten, dass bei Arch Enemy alles beim Alten geblieben ist – die Band klingt frischer und gewaltiger denn je! Und auch wenn sie den guten alten Melodic Death Metal par excellence beherrscht, ihn heute vielleicht sogar auch mit definiert, hat sich mit „Paper Tiger“ ein wahres Heavy Metal-Stück aufs Album geschlichen – und das war noch längst nicht die letzte Überraschung!

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Neue Konzepte, scheinen sich in der Formation um Frontfrau Alissa White-Gluz zu mausern: ihre Clean Vocals, welche die Kanadierin überraschend auf dem letzten Album „Deceivers“ (2022) erstmals der Welt preis gab, kommen nun häufiger zum Einsatz; sowohl als Unterstützung im Background („Blood Dynasty“), als verführende Flüsterer („Paper Tiger“) oder auch präsent gesetzt im Refrain („Illuminate the Path“).

Vive la Révolution… oder so

Den Vogel schießt die Band mit dem patriotisch-klingenden, leicht abgemetallten Cover-Stück „Vivre Libre“ ab – in dem White-Gluz komplett clean UND auf französisch singt. Gebraucht hat das wohl niemand und es wird bestimmt kein Klassiker auf der Setlist künftiger Tourneen, sondern eher eine Randnotiz ihres Kosmos bleiben. Dennoch halten wir der Band zu Gute mit „Vivre Libre“ eine neue Facette gezeigt zu haben.

Lang lebe die Königin!

Sicherlich ist White-Gluz keine Sängerin mit einer besonderen Klarstimme – dennoch gibt der neue Gesangstil Arch Enemy eine poppigere, jüngere Note.

Neben dem Klargesang gibt der blaue Feuerteufel natürlich alles an röhrenden, zischenden bis fauchenden Growls preis, was die (falschen) Stimmbänder geben können und was Arch Enemy ausmacht – besonders beeindruckend in verschiedenen Nuancen zu erleben in dem Stück „Don’t Look Down“. Darin erinnert die 2014-zugestiegene Sängerin sogar etwas an ihre fauchende Vorgängerin Angela Gossow, die für ihren besonders bissigen Stil bekannt war.

Vom Hinfallen und Krone richten

Vielleicht liegt die Extraportion Energie aber auch in der Tatsache, dass der Text zu „Don’t Look Down“ von White-Gluz selbst verfasst wurde, sowie ebenfalls die zu „Liars & Thieves“ und „Paper Tiger“. Thematisch recht gegensätzliche Stücke, die dennoch auf den beiden typischen Arch Enemy-Lyrik-Grundsteinen fußen: die Motivation, den Kampf nicht aufzugeben vs. die Brutalität der Probleme, die vor einem, bzw. in einem selbst liegen. Dem selben literarischen Muster folgen auch die Stücke „Dream Stealer“ und „Illuminate The Path“, die zwischen Siegeslust und dämonischen Angstzuständen pendeln.

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Währenddessen wird es mit dem gleichbetitelten Song „The Pendulum“ und seiner klassischen Vanitas-Symbolik tiefsinnig; mit „A Million Suns“ kosmischen Naturbildern fast schon traumhaft. Hervorzuheben ist außerdem die Hymne „March Of The Miscreants“, die mit ihrem verbindenden, faustschwingenden Refrain sicherlich ein neuer Fan-Liebling werden wird.

Der Niedergang eines Imperiums

Und statt aller Erwartungen bezieht sich der Titeltrack „Blood Dynasty“ nicht auf das schonungslos errichtete Vermächtnis der Schweden – sondern auf die von uns Menschen aufgebaute und niedergerissene Welt. Nicht nur lyrisch läuten Arch Enemy damit das Ende unserer Zeit ein; auch musikalisch schlägt der Refrain Glocken-gleich zu – und wir hören begeistert dem Knistern der Flammen zu und tanzen auf der verbrannten Erde.

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Foto: Patric Ullaeus / Offizielles Pressebild

ALBUM
Blood Dynasty
Künstler: Arch Enemy

Erscheinungsdatum: 28.03.2025
Genre:
Label: Century Media
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Dream Stealer
  2. Illuminate
  3. The Path
  4. March Of The Miscreants
  5. A Million Suns
  6. Don’t Look Down
  7. Presage
  8. Blood Dynasty
  9. Paper Tiger
  10. Vivre Libre
  11. The Pendulum
  12. Liars & Thieves
Arch Enemy Blood Dynasty
Arch Enemy Blood Dynasty
8.5
FAZIT
Royal, dramatisch, gewaltig - Arch Enemy überzeugen mit „Blood Dynasty“ auf ganzer Linie und machen ihrer Vormachtstellung im Melodic Death Metal alle Ehre. Michael Amotts Gitarren-Melodien und Soli verbleiben nachhaltig im Gehörgang, so wie sich Alissa White-Gluz mächtige Präsentation tiefwühlender Texte in die Seele einbrennt. Die Schweden setzen erfolgreich auf moderne Tradition – wobei man strittig darüber verbleiben kann, ob jeder neue Schuss auch sitzt. Aber auch eine gestandene Monarchie muss eben ab und an etwas wagen.