News
Interview
The Halo Effect: „Wir machen das, was wir immer gemacht haben: Dabei bleiben und Spaß haben – das ist unser musikalisches Rezept“
Niclas Engelin über das melancholisch-positive zweite Album „March Of The Unheard“.
VON
Tamara Jungmann
AM 31/12/2024
Geschätzte Lesezeit:
- Minuten
Artikel teilen:
2019 ist für viele Fans der schwedischen Metal-Schmiede mit der Gründung von The Halo Effect ein Traum in Erfüllung gegangen: Mit Niclas Engelin, Mikael Stanne, Jesper Strömblad, Peter Iwers und Daniel Svensson haben sich fünf ehemalige In Flames-Mitglieder zusammengetan, um die Musik zu machen, die sie seit ihrer Jugend begeistert – und zueinander gebracht hat! Wir sind mit Gitarrist und Songwriter Niclas Engelin in vergangene Zeiten eingetaucht, die das neue Album „March Of The Unheard“ inspiriert haben.
Eineinhalb Jahre ist es her, dass wir The Halo Effect auf dem Full Force Festival interviewen durften. In jenem Interview haben Gitarrist Niclas Engelin und Sänger Mikael Stanne erstmals verraten, dass ein zweites Album unterwegs wäre und auch, dass es ganz bald erscheinen würde.
The Halo Effect: Eine Band mit vielen Terminkalendern
Ganz so kam es nicht – es sollte bis Januar 2025 dauern, dass der Nachfolger von „Days Of The Lost“ (2022) erscheint. Der Grund dafür wäre laut Niclas eine zweite Mix- und Masterrunde gewesen, die zwar nicht nötig, am Ende aber doch sinnvoll gewesen wäre. „Es klingt nun kraftvoller. Alles ist ‚mehr‘, wenn man es mit dem vorherigen Mix vergleicht. Es hat mehr Brillanz und Power – und ich finde den Klang unglaublich!“
Aber das wäre nicht der einzige Grund gewesen, dass das Album erst zu diesem Zeitpunkt erscheint. Alle Member haben zahlreiche andere Projekte und Familien. „Wir sind eine dieser langweiligen Bands, die alles kalendarisch planen muss. Mikael ist viel auf Tour, wir haben Familien und ich habe noch so viele andere Projekte. Alles muss ineinander ‚klicken‘, damit es für alle klappt.”
Zur Zeit unseres Gesprächs befindet sich Sänger Mikael Stanne aktuell auf Tour mit seiner Hauptband: Dark Tranquillity. Die haben erst im August 2024 mit „Endtime Signals“ ihr 13. Studioalbum veröffentlicht. Ebenfalls ein Grund, warum The Halo Effect mit ihrem zweiten Release noch etwas warteten: „Wir wollten nicht in ihre Kampagne knallen, sondern es schön ‚smooth‘ machen. Das meinte ich mit kalendarischem Planen – wir müssen wirklich aufpassen und alles ein bis zwei Jahre im Voraus denken.“
Der Marsch aus Göteborg
Und während Zeitpläne und Terminkalender streng eingehalten werden müssen, ist dafür ein essenzieller Part bei The Halo Effect weit weg davon geplant zu werden: ihre Musik. So haben die Arbeiten zu „March Of The Unheard“ bereits ungewollt auf ihrer ersten Festivaltournee 2022 begonnen. Da das Set zu dem Zeitpunkt noch zu kurz für ihren 40-Minuten-Slot war, begann Niclas zu improvisieren… „Ich dachte: Warum schreibst du nicht ein Intro und ein Outro für die Show, mit dem man den Auftritt stretchen kann. Das war der Startpunkt.“ Den Fans gefiel das Instrumental so gut, dass sie sich fragten, welche Songs da gespielt würden, woraufhin sich Engelin fragte: „Warum nicht einen Song daraus machen? Aus dem Intro wurde ‚March Of The Unheard‘. Aus dem akustischen Outro, ein paar Melodien, Violinen und weiblichen Vocals machte ich ein Instrumental-Stück, dass zu ‚Coda‘ wurde – der letzte Song des Albums. Das war der Startpunkt für mich als Songwriter und die Vision für uns.“
Und natürlich kommt auch der berühmte Göteborger Heimatbezug nicht zu kurz: „Als ich die Idee für das Intro [vom Titelsong] hatte, hatte ich das Gefühl, dass sich eine Marschband gut machen würde – unsere Marschband. Die sind richtig, richtig gut und immer wenn etwas in Göteborg passiert, sind sie dort. Also kamen sie vorbei und sorgten für die Snare und Kick Drums, die man im Intro hört.“ Die Band ist auch im Musikvideo zu sehen. „Es ist lustig, wie alles zusammenkommt.“
Ein Album für die (erwachsenen) Ungehörten
Bei The Halo Effect kommt tatsächlich alles zusammen, was zusammen gehört – und das nach über 30 Jahren. Und das ist auch das Thema auf „March Of The Unheard“: „Es geht darum den Stimmlosen eine Stimme zu geben in unserer Gesellschaft. Wir sind als Metal-Fans in der Schule aufgewachsen, nicht als Football-Fans; da giltst du als Außenseiter. Du wirst missverstanden. Und so geht es jedem in der Band.“
Die Bandmember kennen sich seit Schulzeiten und haben schon vor über 30 Jahren gemeinsam in ihren ersten Bands gespielt. Auf die Frage, ob diese Verbindung einen Einfluss auf das heutige Schaffen der Band hat, antwortet Niclas: „Es hilft massiv. Wir machen einfach da weiter, wo wir aufgehört haben. Wir kehren Dekaden zurück. Das ist super natürlich, weil wir aus Göteborg kommen und das wollen wir in unserer Musik auch ausdrücken. Wir wollen die Stadt und wo wir herkommen feiern. Und die Musik natürlich – Death Metal aus Göteborg! Und das alles mit ein bisschen grünem Licht.“
Dennoch ist die Gruppe nach all der Zeit erwachsen geworden. Das gibt sogar Niclas selbst zu: „Ich hasse das Wort ‚reifer‘, weil wir alt wie Vampire sind, aber es fühlt sich an als ob wir reifer geworden sind. Nach all der Zeit sind wir unter dem Banner The Halo Effect noch enger zusammen gerückt.“
Eine Fortschreibung von „Days Of The Lost“
Weder musikalisch noch thematisch machen The Halo Effect von „Days Of The Lost“ zu „March Of The Unheard“ große Sprünge – was aber auch so gewollt ist. Niclas betont mehrfach, dass die schwedische Superkombo von Beginn an nur eins ausmachen sollte: Spaß.
„Die Band ist ein wilder Ritt. Es muss Spaß machen! Ich muss viel Kaffee trinken, Gebäck essen und über Judas Priest und Kreator quatschen können. Also haben wir es nochmal genauso gemacht: geerdet und bescheiden. Wir machen einfach das, was wir immer über all die Jahre gemacht haben. Einfach dabei bleiben und Spaß haben – das ist unser musikalisches Rezept.“
Auch auf Album Nummer 2 spürt man diesen Spaß – eine Positivität und Energie zwischen all der nordischen Härte und Melancholie. Die gehört als Nordmann nun doch dazu, sagt der Musiker: „Wir lieben schwedische Volksmusik, die Themen, die Melodien. Man muss sich fühlen als ob man am See mit einer Tasse Kaffee sitzt …“, beschreibt Niclas bildhaft und fährt fort: „Weiche Melodien, die nicht happy sind, aber sich gut anfühlen. Wie eine weiche Jacke: melancholischer, positiver Metal.“
Der Teenager in dir muss Metal machen
Auf „March Of The Unheard“ und im ganzen Kosmos The Halo Effect scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Es ist ein jugendliches Werk, dass Musiker mit 30 Jahren krassester Erfahrung in Perfektion kreiert haben. Rebellische, verzweifelte Identitätssuchende Gedankenwelten treffen auf gereiftes Kunsthandwerk. Trotz der jugendlichen Unsicherheit ist der Ton ganz klar gesetzt und Niclas Engelin ist sich ganz sicher, was der Motivator für ihn und die Band war, ist und in Zukunft immer sein wird:
„Ich liebe meinen Kaffee und mein Gebäck. Ich liebe ‚Defenders oft he Faith‘ und ‚Screaming For Vengeance’ von Judas Priest – so wie ich Testament und Kreator liebe. Lass es mich so formulieren: Ich will ein Teenager sein. Ich will meine Kutte tragen und einfach perfekte Musik machen.“
Foto: Linda Florin / Offizielles Pressebild
Latest News
Live-Dates
Feature
Latest