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Rammstein: Die Top 10 der interessantesten Musik-Videos der Band
Maz ab!
VON
Tamara Jungmann
AM 19/04/2022
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Außer feurigen Shows und düsterer Lyrik sind die deutschen Rocker von Rammstein natürlich vor allem noch für etwas anderes bekannt: Bildgewaltige Musikvideos! Ganze 30 Bewegtbild-Streifen veröffentlichten die Berliner zu 28 Songs in ihrer Karriere. Dabei sind ein paar Besondere natürlich hängengeblieben.
Rammstein sind nicht gerade dafür bekannt, halbe Sachen zu machen. Ihre einzigartige Musik, ihr schaurig-schockiges Auftreten und ihr bis ins kleinste Detail durchdachter Stil sprechen für sich und ergeben das poetisch-provokative Gesamtkunstwerk. Dabei ist sich die Bande um Till Lindemann bereits seit Beginn ihrer Karriere sicher: Zu guter Musik gehören auch gute Musikvideos. In Zusammenarbeit mit namhaften Regisseuren wie Zoran Bihac, Joern Heitmann und Jonas Akerlund produzierte die Kombo einiges an Kurzfilmen, die im Laufe der Jahre immer künstlerischer, detailreicher und cineatischer wurden. Sogar kleine Storylines entwickelten sich darin, die aber trotzdem immer Platz zur Interpretation ließen.
Aus den 30 produzierten Rammstein-Musikvideos haben wir zehn herausgepickt die unserer Meinung nach ganz besonders herausstechen. Dazu legen wir euch wärmstens die Making Ofs auf dem Youtube-Channel der Band ans Herz. Der Blick hinter die Kulissen zeigt viel lustiges Material vom Dreh sowie coole Interviews mit den Bandmitgliedern, Regisseuren und Schauspieler*innen. Gerade Flakes Kurzangebundenheit – wahres Gold.
Dann starten wir aber jetzt direkt Mal in unsere kleine Best Of Liste.
Deutschland
2019 erscheint Rammsteins aktuelles Selftitled-Album. Die erste Single davon ist “Deutschland” – ein Track wie kein anderer und ein einzigartig aufwendiges Video. Mit seinen neun Minuten ist das Bildwerk schon fast ein Kurzfilm durch Deutschlands Geschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Zu sehen sind die sechs Bandmitglieder verkleidet als völlernde Mönche, Kreuzritter, Soldaten, DDR-Funktionäre und RAF-Mitglieder. Ein Aufschrei geht durch die Medien, als Rammstein sich als inhaftierte Juden erhängen lassen. Dabei bietet der detailreiche und hochkritische Track gar nicht so viel Interpretationsspielraum. “Deutschland” ist ein bildgewaltiges Kunstwerk, welches die Schattenseite des Heimatlands der Band hervorbringt und in keinem Geschichts-Unterricht fehlen sollte.
Du Riechst So Gut (1995 vs. 1998)
1995 erscheint Rammsteins erstes Album „Herzeleid“. Darauf erschien der Kult-Track “Du Riechst So Gut”, der bis heute zum Live-Repertoire der Band gehört und auf keiner Setlist fehlen darf. Es war der erste Song, für den ein Musikvideo produziert wurde. 1995 erscheint die Version von Emanuel Fialik. Einfach produziert zeigt es in wenig Bildern die Bandmitglieder oberkörperfrei am Blumen schnüffeln. Auch Tills Gestik und Mimik wirken hier noch wenig ausgereift. Dies ändert sich 1998 mit einer zweiten Musikvideo-Version.
1998 produzieren Rammstein unter der Regie von Philipp Stölzl ein weiteres Musikvideo, welches durchdachter, aufwendiger und mit Storyline daherkommt. Darin sehen wir die Band als bleiche Vampir-Geister auf einem Maskenball in Renaissance-Atmosphäre. Die Animationen der rot-funkelnden-Augen und Werwolf-Verwandlungen wirken zwar heute recht einfach, waren für die Band aber ein Grundstein für folgende aufwendige Bildwerke.
Mein Land
Sommer, Sonne, (halb)nackte Frauen. Ein Musikvideo, das definitiv aus der Masse an Musik-Filmchen aus der härteren Ecke heraussticht, ist das Video zu Rammsteins “Mein Land”. Ganz anders als gewohnt und erwartet sieht man hier Till, Richard, Flake, Schneider, Paul und Oli am Strand von Kalifornien muskelbepackt, eingeölt und mit Surfer-Friese Wellen reiten. Die Idee zum musikalischen Teil ist Lindemann anscheinend bei einem Strand-Urlaub gekommen und ist eine Kritik am Surfertum und der Kalifornisierung. Tatsächlich haderte die Band recht lange mit einer Veröffentlichung, da sie wussten, wie falsch man “Mein Land” verstehen könnte. Der Dreh gehört laut Making Of zu den Favoriten der Band, da es ausnahmsweise mal warm und sonnig war. Neben dem besonderen Standort und einigen Baywatch-Anspielungen sorgen auch sunny Animationen wie Delfine, Wasserbälle und Karaoke-Text für Beach-Boys-Feeling. Erst am Ende wird das konträre Bild aufgelöst und Rammstein gehen wieder zur feurigen Tagesordnung über. Regie führte Jonas Akerlund, der für auch für die Videos von “Pussy”, “Mann Gegen Mann”, “Ich Tu Dir Weh” und die Kinofilm-Produktion “Rammstein: Paris” verantwortlich war.
Radio
Ebenfalls auf dem 2019er Selftitled-Album erschien der Song “Radio”. Darin behandeln die ehemaligen DDR-Bewohner den Wert des Radioempfängers in der Zeit des geteilten Deutschlands. Auch wenn die Berliner Mannen oft ihre kommunistische Ader betonen, setzen sie sich hier kritisch mit ihrer Heimat auseinander. Neben der musikalischen Anspielung auf die Elektro-Riesen Kraftwerk, die “Anmoderation” der Radiosendung bei der die ersten Worte des deutschen Radios ever wiederholt werden und Tills Klaus-Nomi-Gedächtnis-Make-Up, besticht das schwarz-weiß-gehaltene Video vor allem mit der dramaturgischen Inszenierung feministischer Selbstermächtigung (endlich!!). Die gipfelt in einer weiblich angeführten Demonstration für mehr Sendefreiheit und die Bilder erinnern dabei insbesondere an die französische Revolution. Auch schön anzusehen ist natürlich das Ballett-tanzende Militär, welches von der Musik berauscht es nicht schafft, Rammstein in ihrer musischen Übernahme aufzuhalten.
Amerika
In Rammsteins Musikvideo zu ihrem (Anti-)Love Song “Amerika” gibt es auch wieder eine Menge zu entdecken: Amerikanische Ureinwohner auf dem Mond, Fastfood vor dem Taj Mahal, Santa Claus in Afrika. Kaum ein anderer Track geht auf so offensichtliche Art und Weise mit der weltweiten Amerikanisierung ins Gericht und wird doch teilweise komplett gegenteilig verstanden. Weitere Besonderheiten sind die Requisiten: Die Raumanzüge die offiziell bei der NASA entliehen wurden, der originalgetreue Nachbau des Landemodul und 240 Tonnen Asche-Sand wurden von Regisseur Joern Heitmann rangekarrt um so authentisch wie möglich eine Mondlandschaft darzustellen. Besonders ist auch der Trick hinter der inszenierten Schwerelosigkeit die in doppelter Geschwindigkeit gedreht wurde.
Rosenrot
Der an Grimm-Märchen und Goethe-Gedicht angelehnte Track “Rosenrot” erzählt per Musikvideo eine eigene Geschichte von Verführung, Mord und Täuschung. Rammstein sind darin als reisende Priester in einem Dorf in Rumänien fernab jeder Zivilisation zu sehen. Regie führte Zoran Bihac, der vor allem in diesem Video den Bandmitgliedern einiges abverlangte. Zum einen fanden die Dreharbeiten bei Minustemperaturen und auch in Dunkelheit statt, zum anderen ist die Inszenierung der Selbstgeißelung spannend denn: Sie kam ohne Special Effects aus! Unter Anleitung schlagen sich Richard, Paul und Co. mit Seilen die eigenen Rücken ein. Und das unter ordentlich Gebrüll, Blut, Schweiß und Tränen. Der Einzige, dem das laut Flake wohl Spaß gemacht haben muss… Na jetzt ratet mal.
Ausländer
Rammstein ist eine Band der Extreme und Kontroverse. Mit ihrem 2019 releasten Musikvideo zum Track “Ausländer” jedoch überschritt die Band nicht nur eine sondern alle Grenzen, die man sich im Bezug auf die afrikanische Kolonialisierung nur vorstellen kann. Während die fröhliche Sommer-Melodie mit einem bereits kritischen Text über Sextourismus versehen ist, werden im Video jegliche rassistische Taten aufgezeigt die der weiße Mann in bei der Invasion Afrikas aufgebaut hat. Die Spitze des Eisbergs ist das symbolisch aufgeladene Schlauchboot, auf welchem die Kombo an- und abreist. Too much? Nicht im Hause Rammstein. Der Regisseur Joern Heitmann schafft es, diese Bilder gerade mit so viel Ironie zu erzeugen, dass der westlichen, weißen Kultur ein Spiegel vorgehalten und ein Denkzettel verpasst wird. So kann “Ausländer” in Kombination mit einem der gefährlichsten und krassesten Videos der Bandgeschichte gerade wegen seiner obsessiven Grenzüberschreitungen zu einer Hymne gegen Rassismus verstanden werden.
Mutter
Das Musikvideo zu “Mutter” ist einzigartig. Darin ist nämlich ausnahmsweise ausschließlich Sänger und Frontmann Till Lindemann zu sehen. Warum ausnahmsweise? Weil dies fast zur Trennung der Band führte. Rammstein bilden ein starkes sechsköpfiges Kollektiv, welches sich vor allem Loyalität zueinander auf die Fahne geschrieben hat. Eine der goldenen Regeln ist: Niemand wird bevorzugt oder hervorgehoben. Da die Band aber nun, wie im Making-Of des Musikvideos beschrieben wird, nach dreimonatiger Tournee Erschöpfungssymptome aufzeigte, ließen sie Till mit Regisseur Joern Heitmann allein. Eins kam zum anderen und Schneiders Idee, Lindemann auf einem Boot über schwarze Gewässer segeln zu lassen, verselbstständigte sich.
Trotz der fehlenden Mithilfe der Band und den damit folgenden internen Diskrepanzen ist das morbide und traurige Musikvideo zu “Mutter” aufgrund von Tills dramatischer Mimik, Gestik und Theatralik ein ästhetisches und cineatisches Meisterwerk.
Mein Herz brennt
Auch wenn man meint alles, was “The Ramm” anfasst, wird ohne große Mühe zu Gold, hatten die Berliner doch einige Schwierigkeiten mit dem Musikvideo zum Kult-Titel “Mein Herz Brennt”. Während der Track bereits 2001 auf der Platte „Mutter“ erscheint, traut sich die Band erst 2012 an die Veröffentlichung des Films dazu. Der Grund: Ihre erste Kooperation mit dem spanischen Regisseur Eugenio Recuenco, mit welchem sie vorher bereits für einen Bildband zusammen arbeiteten, verläuft nicht ganz nach Plan und liefert leider auch nicht das ab, was Rammstein sich für ihr Video vorgestellt haben. Die aufgenommen Bilder in den Beelitzer Heilstätten sind zwar qualitativ, kreativ und von einer schwarz-romantischen Düsternis und Schönheit umnebelt, passen aber leider letztendlich nicht zusammen und nicht zur Musik. Um das Video einige Jahre später nochmal in Angriff zu nehmen, beauftragt die Kombo um Till Lindemann ihren Lieblingsregisseur Zoran Bihac, welcher die Aufnahmen von Recuenco mit Szenen auffüllt die dem Musikvideo von “Mein Herz Brennt” zu einer Storyline verhelfen.
Neben dem Musikvideo zum Originaltitel erschien ein zusätzlicher Streifen zur Piano-Version, in dem nur Till in einer Art One-Shot-Szene und gruseligem Make-up zu sehen ist.
Zeit
Zuletzt erschienen und absolut wert, es hier aufzuzählen, ist das Musikvideo zur ersten Single des neuen Albums “Zeit”. Die Weiterentwicklung der Rammstein-Musikvideo-Revolution findet mit “Zeit” eine Art Höhepunkt, denn das Video überzeugt mit dramaturgischen, künstlerisch-ästhetischen und technischen Stilmitteln. Ähnlich wie beim “Deutschland”-Video von 2019 gibt es einige Drehorte und verschiedene Snippets, die zusammen eine Storyline ergeben. Die Zeit wird zurückgedreht und das Video beginnt mit dem Tod der sechs Bandmitglieder auf dem Meer. Die Zeit – oder der Tod – werden hier als schwarzes Kapuzenwesen dargestellt, welches durch eine Art rückwärtsfließende Sanduhr wandelt und durch sein funkelndes Gesicht sowohl etwas Verhängnisvolles als auch Träumerisches ausstrahlt. Natürlich erhält das Material durch die vorgetäuschte Geburtenszene wieder den gewissen obszönen Rammstein-Touch. Das bildgewaltige Werk überzeugt und beweist, dass Rammstein ihrem Ruf auch im Jahr 2022 noch mehr als gerecht werden.
Da bisher zu fast allen Musikvideos der Berliner Band Making-Of-Videos erschienen, können wir davon ausgehen, dass wir bald noch mehr Hintergrundinfos zum ersten neuen Track der Band seit drei Jahren erhalten werden!
Bild: Offizieller Teaser zu „Zeit“ (https://www.facebook.com/Rammstein)
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