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Interview
Ihsahn im Interview: „Versuche nicht etwas zu machen, das du nicht bist“
Der Black Metal-Veteran über seine Tipps für andere Musiker, die Vorteile einer EP und den Nachfolger von "Telemark".
VON
Rodney Fuchs
AM 20/02/2020
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10:00 Nottoden – Telemark, Norwegen. Vegard Tveitan, auch bekannt als Ihsahn, ist bereits seit 6:30 wach. Für gewöhnlich, um seine Kinder in die Schule zu bringen und um 8 Uhr in sein Studio zu gehen. Heute jedoch steht ein Interview auf dem Timetable, denn das Release von „Telemark“ steht zu diesem Zeitpunkt quasi vor der Tür.
Rodney | MC: Hey Ihsahn, worauf basiert die Idee von Telemark? Es ist die erste Platte, die sich wirklich mit deiner Heimat beschäftigt, oder?
Ihsahn: Es gab einige Ideen, die da kulminiert sind. Ich habe mit meiner Frau Heidi, mit der ich seit über 20 Jahren gemeinsam Musik mache, viel darüber geredet. Es sollte wieder mehr in Richtung Black Metal gehen, aber auch auf Norwegisch sein. Diese Guidelines haben mich zu meinen musikalischen Wurzeln zurückgeführt. Ich bin in Telemark aufgewachsen und wir haben unsere Emperor Shows auch immer mit „From Telemark, Norway“ angekündigt. Es war also schon immer Teil meiner eigenen Identität. All das wollte ich in einer Szenerie kombinieren, auch mit dem Artwork, das auf einer Fotografie meiner Frau basiert. Es ist in Telemark entstanden und als Bleistift Zeichnung abgepaust. Dieses minimalistische schwarz-weiß Cover erinnert auch wieder an die frühen Black Metal Artworks. Es sind aber auch viele Einflüsse der Folklore und Märchen, die es auf diese EP geschafft haben, sowie das traditionelle Kostüm, welches ich auf den Promofotos trage. Der allgemeine Fokus liegt auf meiner Heimat.
Rodney | MC: Diesen Ansatz hast du bereits auf deinem Arktis-Album mit dem Track „My Heart Is Of The North“ berührt. Doch ist der Sound von „Telemark“ viel mehr im Black Metal verwurzelt, als es das „Arktis“ Album war. Ob die Fans darüber erfreut sind?
Ihsahn: Ich weiß ehrlich gesagt nicht wirklich. Das Feedback zur ersten Single war gut. Aber, wenn ich etwas in fast 30 Jahren gelernt habe, dann, dass es nicht möglich ist festzustellen, ob etwas gut oder schlecht ankommt. Es gab Alben, die wurden erst von der Presse zerfleischt, um zehn Jahre später dann als „Klassiker“ gehandelt zu werden.
Mein größter Anspruch an mich selbst ist, dass es mich weiter aufgeregt hält. Ich will etwas schaffen, das mich selbst begeistert und dort all meine Energie reinstecken. Wie soll ich jemanden mit meiner Musik begeistern, wenn ich selbst nicht davon überzeugt bin, wenn ich es kreiere? Das ist mein eigener, persönlicher erhobener Finger beim Schreiben von Musik.
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Rodney | MC: Mit der Musik von Emperor hat „Telemark“, trotz der Orientierung an den frühen Black Metal-Wurzeln, aber dennoch nicht viel zu tun.
Ihsahn: Ich kann mir vorstellen, dass manche Leute das lesen und dann denken, dass es wie Emperor klingt. Aber es klingt gar nicht so, sondern eher wie frühe Sachen von Bathory oder Celtic Frost. Das zeigt aber auch, wo ich jetzt bin.
Rodney | MC: Wie stehst du generell dazu, dass deine Musik wahrscheinlich oft mit Emperor verglichen wird?
Ihsahn: Am Anfang meiner Solokarriere war das noch stärker, aber mittlerweile mache ich als Ihsahn schon länger aktiv Musik, als mit Emperor und habe fast doppelt so viele Alben veröffentlicht. Die Leute wissen wo ich herkomme, aus der kreativen Perspektive. Vielleicht hat es falsche Signale gesendet, als ich wieder angefangen habe mit Emperor Shows zu spielen. Aber ich bin auch als Ihsahn sehr viel unterwegs und unfassbar froh und dankbar darüber, dass ich beides machen kann.
Wirklich, ich kann mein Glück kaum fassen. Wir kommen aus Telemark, Norwegen und spielen eine der extremsten Musikrichtungen, die es gibt. Ich mache das seit fast 30 Jahren, ohne Kompromisse. Konnte mit Jazz, Black Metal, Pop und Progressive Rock experimentieren und Elemente einbauen und davon leben. Ich lebe ein Leben, in dem ich Musik in all ihren Facetten entdecken kann, bin immer noch hier und mir geht es gut. Trotzdem bin ich nicht allzu oft auf Tour. Ich lebe größtenteils mit meiner Familie und in meinem Studio. Das ist klasse!
Aber, um auf deine Frage zurückzukommen. Ich denke es ist immer ein gewisses Kompliment, wenn jemand meine Solomusik mit Emperor vergleicht. Diese Leute haben eine starke Verbindung zu der Musik und sind damit teilweise so aufgewachsen, wie ich mit dem Metal der Achtziger Jahre. Aber Menschen haben generell so viele Gedanken und Meinungen über Musik, also muss man damit manchmal einfach leben.
Rodney | MC: Woher stammt die Idee mal eine EP zu schreiben?
Ihsahn: Eine EP ist als Format viel limitierter. Es hat mir die Möglichkeit gegeben auf der kreativen Ebene weiter zu greifen. Ich komme klar aus der Album-Ära und habe unterbewusst den Anspruch eines ganzen Albums in mir drin. Die Songs sollen ein größeres ergeben, als die bloße Summe der einzelnen Teile. Es sollte balanciert sein und keine zufällige Ansammlung von Songs, die man über das letzte Jahr verteilt geschrieben hat. Ich will eine Verbindung, die es flüssig macht.
Der Titeltrack zum Beispiel hat viele Folklore-Elemente und ich glaube nicht, dass ich dafür Platz auf einem Album hätte. An einem Album, das auf dieses Element ausgerichtet ist, daran habe ich kein Interesse. Wenn nur ein einzelner Albumsong damit arbeitet, sticht dieser viel zu sehr heraus. Das funktioniert in meinem Kopf einfach nicht. Aber in einem so limitierten Format, wie in einer EP, kann ich all diese Farben ausprobieren und entdecken und es macht aufgrund des Konzepts total viel Sinn. Ich kann alles ausmalen, ohne dass es zu viel ist, denn es ist genau genug.
Rodney | MC: Die EP als Medium wird in letzter Zeit von zunehmender Bedeutung und auch Singles trotzen den Alben. Die Musikindustrie verändert sich, wie stehst du dazu?
Ihsahn: Als es die ersten Downloads gab, war es ein Kampf zwischen der CD-Industrie und den illegalen Downloads. Jetzt wo Downloadplattformen und Streamingdienste in die Musikindustrie besser eingearbeitet sind, ist es anders. Natürlich macht man als Metalband mit Streaming noch immer kein großes Geld, aber ich denke es ist fair. Wenn du Songs in den Charts hast, profitierst du sogar richtig davon, dann machst du Kohle. Aber es funktioniert auch für uns. Es gab ein paar Dekaden, da konnte man Musik physisch richtig gut verkaufen. Jetzt aber kommen wir zurück zu einem Status, den Musik in den 50er und 60er Jahren hatte. Die Leute hatten Radios und hörten sich die Singles an. Alben waren kein großes Ding. Aber heutzutage macht man genau wie damals Musik nicht mehr als exklusives Medium. Das wichtigste wird zunehmend die Liveperformance. Das ist der exklusive Wert, den die Leute in der ganzen Sache sehen und das ist meiner Meinung nach eine große Veränderung der letzten Zeit.
Rodney | MC: Kannst du ein Beispiel nennen und findest du es besser oder schlechter?
Ihsahn: Ich bin nicht verzweifelt und würde sagen, dass es so bleiben soll wie es ist, oder war. So wie ich mit Musik aufgewachsen bin, ist das Album-Format einfach in mir drin, aber andere Konzepte wie EPs sind super interessant. Du hast mehr Freiheiten und einen anderen kreativen Raum – anders, als wenn ich ein großes Stück Musik, was ein Album ist, schreibe. Ich sehe da viel Potential drin.
Blicken wir auf die Popmusikindustrie, wo die meisten Alben total überproduziert und poliert sind. Justin Timberlake hat gut produzierte Alben, die sich in Richtung R’n’B bewegen und fast komplett elektronisch sind. Aber wenn er auf die Bühne kommt, hat er eine ganze Liveband, ja sogar einen Bläsersatz. Diese Musiker repräsentieren seine Songs in ganz anderen Farben und Arrangements und ich mag diese Idee, die dahintersteckt, wirklich sehr. Ich hoffe auch, dass ich das mehr in meine eigene Performance implementieren kann. Das ist also auch im Konzept der EP eingeflossen. Und ich will die anderen Songs aus meinem Katalog ebenfalls mit dieser Ästhetik verknüpfen.
Rodney | MC: Auf die „Telemark“ EP soll noch eine zweite EP folgen. Was kannst du uns bisher darüber erzählen?
Ihsahn: Sie wird das komplette Gegenstück zu „Telemark“ werden. Es hat eine ganz andere Ästhetik und ist dadurch mit der ersten EP verbunden. Ich wollte nicht separiert denken wie bisher. Man hat einen 2-Jahres-Albumzyklus, promoted es und spielt live Shows. Für die EPs will ich, dass alles gleichzeitig funktioniert und die Gedanken, um die Liveperformance mit der Studioerfahrung direkt zusammenschnüren.
Rodney | MC: Aus diesem Grund wähltest du also einen Sound, der roh sein sollte. Kannst du mir sagen, wie du die Coversongs ausgewählt hast?
Ihsahn: Ich wollte etwas, das einfach nach einer Oldschool Rockband klingt. Ich wollte, dass es klingt, wie eine Band, die in einem Raum zusammenspielt. Einfach nur Schlagzeug, Gitarren, Bass, meine Screams und dazu noch den Bläsersatz, weil ich diese im Rockkontext einfach liebe, haha. Es ist kein Geheimnis, dass ich die späten 80er Jahre Iron Maiden liebe. Dort liegt mein Herz, weil ich damit aufgewachsen bin. Aber schauen wir „Wrathchild“ an, dann war das nicht dick produziert, Iron Maiden waren damals noch eine richtige Rockband.
Ich habe „Wrathchild“ aber auch aus einem anderen Grund gewählt, und zwar einem praktischen. Im Original folgen die Vocal Lines den Gitarrenriffs. Dadurch bleibt die Melodie auch erhalten, wenn ich meine Black Metal-Screams darüber singe. Wenn du dir einige Extreme Metal-Versionen von 80s Songs anhörst, fehlt diese melodische Komponente, da die Akkordfolgen sehr simpel sind. Wenn also kein melodischer Gesang dabei ist, verlierst du die Hälfte des Songs und das wollte ich vermeiden. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Lenny Kravitz-Cover. Der Song ist im Klang sehr roh und ich mag die Message dahinter. „Rock And Roll Is Dead“ kritisiert die oberflächliche, kommerzielle Fake-Rockmusik und greift die Wichtigkeit der rohen, authentischen Energie auf. Ich finde, dass diese Attitüde sehr nahe an dem ist, was die frühen Black Metal-Sachen auch vertreten haben. Es ging darum es „true“ zu halten. Ich denke es kommt von der selben Leidenschaft für die Authentizität in der Musik.
Rodney | MC: Wird es auf der zweiten EP denn auch Coversongs geben?
Ihsahn: Die zweite EP hat das gleiche Format, wie „Telemark“. Es gibt drei neue Songs und zwei Coversongs, die auch die Ästhetik der Eigenkompositionen verdeutlichen sollen. Die EP wird im März gemixt und dann wahrscheinlich im Herbst erscheinen.
Rodney | MC: Hättest du einen Plan B gehabt, wenn es mit der Musikerkarriere nichts geworden wäre?
Ihsahn: Ich denke, der Grund warum ich Karriere in der Musik gemacht habe ist, dass ich nie einen zweiten Plan hatte. Das ist mein größter Tipp, den ich anderen Musikern geben kann. Versuche nicht Kompromisse einzugehen oder etwas zu machen, das du nicht bist. Nur um es für jemand anderen passend zu machen. Da wirst du nur zu einer Version von etwas, das es schon gibt. Du musst dich auf dein Herz verlassen. Wenn du erfolgreich sein willst, verschwende keine Zeit an einem Plan B zu arbeiten. Also habe einfach keinen Plan B!
Rodney | MC: Gibt es noch etwas was du hinzufügen möchtest?
Ihsahn: Ich bin einfach dankbar, dass die Leute mich noch in meinem Schaffen verfolgen. Ich freue mich am meisten darauf, das neue Material live zu spielen. Denn die Liveshows machen am meisten Spaß! Diese EP ist wirklich nahe an meinem Herz und ich hoffe, dass ich das auch in der Performance rüberbringen kann und mein Weg auch bald wieder nach Deutschland führt.
Foto: Ihsahn / Offizielles Pressebild
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