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Hardcore: Das sind die besten Alben 2024
Breakdowns, Querflöten, das Übliche.
VON
Malin Jerome Weber
AM 29/12/2024
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Es tut so gut, darüber zu schreiben, wie gut es dem Hardcore in 2024 geht. Dass es dieses fest in der DIY-Kultur verankerte Genre geschafft hat, sowohl in kleiner als auch großer Dimension stattzufinden, ist alles andere als selbstverständlich. Auch die Ursachen für den neuen Aufschwung an Local Shows, Konzertgruppen und Bandneugründungen lassen sich nur schwammig festhalten. So könnte es sich lediglich um ein post-pandemisches oder von Social Media angeschobenes Phänomen handeln, wenn da nicht auch Platten wie “Glow On” (2021) von Turnstile gewesen wären. Genau diese hat ein für alle klargemacht, dass im Hardcore alles erlaubt ist und High Kicks auch vor größeren Bühnen verteilt werden können. Folgende zehn Bands sacken jetzt ihr Stück vom Kuchen ein:
Knocked Loose – You Won’t Go Before You Supposed To
Puh, wo fängt man bei diesem Album an? Mit „You Won’t Go Before You Supposed To“ haben Knocked Loose ein neues Level Immersion erreicht. Von Produktion über das Songwriting bis hin zu den Texten kreiert die Band aus Kentucky eine nachhaltige Hörerfahrung, die viel mehr kann als „krasse“ Breakdowns und den nächsten viralen Moment. Es ist klaustrophobisch, gewalttätig und monströs, kurzum angsteinflößend. Eine Weiterentwicklung, die kaum eine Band ohne den Verlust der eigenen Identität oder des Bezugs zu ihren Wurzeln hätte erreichen können. Knocked Loose sind gekommen, um zu bleiben, und das sollte mittlerweile auch dem letzten Kritiker bewusst sein.
Speed – Only One Mode
Hardcore ist Zusammenhalt und keine andere Band brachte dies zum Vorschein wie Speed mit ihrem Album „ONLY ONE MODE“. Eine Platte, die nur so vor Selbstbewusstsein strotzt und die Band als Vorreiter einer neuen Generation platziert. Speed erfanden das Rad (abseits der Querflöte) nicht neu, aber konzentrierten die Idee hinter dem Genre auf einen Longplayer von 10 Songs und einer Laufzeit von 23 Minuten. Mit Dive Bombs, Two Steps und Gangshouts liefern die Australier den perfekten Einstieg in das Thema Hardcore und machen Lust auf mehr. Wer hier nicht in Bewegung kommt, dem ist auch sonst nicht mehr zu helfen.
Drug Church – Prude
“Drug Church is #1, so why try harder?”. Zugegebenermaßen sind wir immer noch nicht so wirklich über dieses Zitat aus dem Pressetext zu “Prude” hinweg. Das Freche daran bleibt allerdings, dass die Band dabei wirklich ein starkes Album in der Hinterhand hatte. So oder so kann man die aus Albany stammende Band nicht haten, wenn sie uns doch mit Hits wie “Myopic”, “Demolition Man” oder “Chow” nur so überhäufen. Musikalisch erfinden sich die US-Amerikaner dabei zwar nicht unbedingt neu, verfeinern aber ihren Mix aus Hardcore, Grunge und Post-Punk weiter und vertrauen dabei auf ihre starken Grundzutaten.
GEL – Persona
So schön es natürlich auch ist, ganze Alben serviert zu bekommen – gerade im Hardcore bieten sich EP’s hervorragend dazu an, ein klareres und punktgenaueres Statement abzuliefern. Genau das haben mit Sicherheit GEL aus New Jersey mit “Persona” getan. So nimmt sich das Quintett im Vergleich zu ihrem Debütalbum “Only Constant” (2023) für die einzelnen Songs ein wenig mehr Zeit und gibt damit Raum für einige unerwartete Wendungen frei, die uns in den knapp 12 Minuten Laufzeit ordentlich auf Trab halten. Der Kopfnicker “Vanity” bildet dabei einen schönen Gegenpol zum furiosen Rest der EP.
Touché Amoré – Spiral In A Straight Line
Dafür, dass Jeremy Bolm uns im Interview bei Rock am Ring 2023 noch fest versicherte, dass seine Band noch nicht die Arbeiten am Nachfolger zu “Lament” (2020) aufgenommen habe, ging es jetzt doch relativ fix. Touché Amoré geben mit ihrem sechsten Album “Spiral In A Straight Line” ihr Debüt bei Rise Records und greifen dabei gleichermaßen nach vorne und nach hinten. So kommen die elf Songs im Vergleich zu den Vorgängeralben wieder wesentlich ruppiger daher, geben aber vor allem auf harmonischer Ebene viel neues Terrain frei, auf dem sich die Kalifornier bis jetzt noch nicht ausgetobt haben.
Squint – Big Hand
Es lässt sich mittlerweile mit Gewissheit festhalten, dass Bands wie Turnstile, Drug Church oder auch Militarie Gun eine gewisse Tanzbarkeit im Hardcore wieder salonfähig gemacht haben. Zwischen den beiden letztgenannten Bands pendeln sich auch Squint aus St. Louis ein, die uns in diesem Jahr ihr zweites Album “Big Hand” serviert haben. Songs wie “Sunshine” oder “Crawl Back” versprühen dabei fast schon einen gesunden Indie-Vibe und bringen eine Menge Catchiness mit. Auf das zugehörige Indie-Label Sunday Drive Records sollte man hin und wieder ein Auge für spannende Underground-Releases haben.
Giver – The Future Holds Nothing But Confrontation
Zeiten wie diese schreien nach Alben wie diesen. Alleine der Titel der neuen Giver-Platte macht schon klar, dass sich die Kölner alles vorknöpfen wollen, was in der Welt schiefläuft. Auf “The Future Holds Nothing But Confrontation” geht es um Klimakrise, Kapitalismus, Machtgefüge und all das, was eine lebenswerte Zukunft auf dem Planeten Erde gefährdet. Die Black Metal- und Post-Punk-Elemente ergänzen ihren brachialen Hardcore-Sound auf passende Weise und verleihen ihren Texten noch die notwendige musikalische Intensität. Die satten 40 Minuten an Spielzeit sind dementsprechend nicht an jedem Tag so einfach zu verdauen.
Contention – Artillery From Heaven
Death to False Metalcore! Mit ihrem Debutalbum „Artillery From Heaven“ sorgten Contention aus dem amerikanischen Tampa für eine der gefeiertesten Veröffentlichungen in diesem Jahr. Metallischer Hardcore mit einem unvergleichlich apokalyptischen Sound, welcher vor massiven Riffs nur so trieft. Ohne viel Drumherum legen Contention den Finger in die Wunde und behandeln thematisch neben dem Ende der Welt auch die Dekadenz der Gesellschaft sowie menschliche Abgründe. Besser kann ein Metalcore-Revival nicht klingen und Contention repräsentieren mit ihrem Aufschlag nur einen Bruchteil einer spannenden Entwicklung innerhalb der Hardcore-Szene.
Foreign Hands – What’s Left Unsaid
Selten wirft ein Album einen so sehr in eine „gute alte Zeit“ zurück wie „What’s Left Unsaid“ von Foreign Hands. Die Frage, ob das überhaupt noch Hardcore ist, kann sicherlich diskutiert werden, jedoch sollte man sich viel lieber mit nostalgischem Sound der fünfköpfigen Band aus Delaware beschäftigen. Manchmal chaotisch, manchmal melodisch zollen Foreign Hands dem frühen 2000er-Metalcore-Sound ala Trustkill Records Tribut, bringen aber auch einige frische Ideen mit an den Tisch. Stilistisch passend bleibt das Tandem der beiden Gitarren im rechten und linken Ohr genauso wie der authentische Gesangstil von Sänger Tyler Norris. Wer am Zahn der musikalischen Entwicklung bleiben möchte, hört hier sofort rein.
Walking Wounded – Bestial Condemnation
Wer einen Ort sucht, an dem sich Hardcore und Death Metal die Klinke in die Hand drücken, sollte mit „Bestial Condemnation“ von Walking Wounded am Ziel angekommen sein. Selten wurden die besten Aspekte aus beiden Welten so gut und vor allem so qualitativ hochwertig miteinander verheiratet. Bösartiges Riffing gepaart mit der Schnelligkeit und Aggressivität des Hardcore machen diese erste EP der Band aus Cleveland zu einem absoluten Geheimtipp. Hier dürfen sehr gerne sehr bald mehr Material und eine Tour durch Europa folgen.
Von Philip Linn und Malin Jerome Weber
Foto im Auftrag von MoreCore.de: Robin Wolframm (robinwolframm)
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