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Interview
„Irgendwie scheint ein Knoten geplatzt zu sein“ – Eskimo Callboy über die Zeit nach dem Split mit „Sushi“
Kevin Ratajczak im sehr persönlichen MoreCore-Interview.
VON
Redaktion
AM 19/04/2020
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Einige Wochen ist es bereits her, dass sich Eskimo Callboy von ihrem jahrelangen Sänger und Shouter Sebastian (Sushi) Biesler getrennt haben. Wir haben die Chance genutzt, um uns mit Kevin Ratajczak über die Trennung, Corona, die Sängersuche und die Zukunft der Band zu unterhalten.
Jonas | MC: Hi Kevin! Schön, dass du dir Zeit genommen hast. Wie waren die letzten Wochen und Monate für euch?
Kevin | EC: Hey Jonas! Sehr gerne. Also die letzten Wochen waren natürlich auf jede Art und Weise sehr intensiv für uns. Sei es emotional, vom täglichen Arbeitsaufwand her, aber vor allem auch musikalisch. Wir sind direkt nach Neujahr zurück ins Studio gezogen, um das Songwriting für unser neues Album zu starten. Quasi noch mit dem Sektglas in der Hand standen wir dann da, so früh wie eigentlich noch nie. Normalerweise ufern unsere Parties an Silvester immer ein bisschen aus, dass wir dann in der ersten Januarhälfte erstmal wieder richtig sprechen lernen müssen. Aber irgendwie hatten wir alle Bock auf Mucke, und die haben wir dann auch gemacht. Fühlt sich gut an, einfach mal wieder drauf loszuschreiben. Und das Geilste ist, ich glaube wir haben bereits unseren ersten Hit geschrieben. Aber dazu gibt’s bald noch mehr News.
Jonas | MC: Die aktuelle Situation um Corona ist für uns alle etwas Besonderes. Wie geht es euch damit und welche Auswirkungen hat das Ganze auf euer Bandleben?
Kevin | EC: Da weiß man eigentlich gar nicht so recht, wo man anfangen soll. Natürlich trifft uns die momentane Situation sehr, aber damit sind wir ja nicht allein. Ich fühle mich manchmal schäbig, wenn ich mich über finanzielle Gesichtspunkte dieser Krise äußere, während andere Menschen buchstäblich um ihr Überleben kämpfen. Der Zusammenhalt momentan ist groß, unsere Leute unterstützen uns super mit Merch-Käufen und auch durch das Hören und Kaufen unserer Musik. Wir haben finanziell natürlich sehr zu kämpfen, aber letztendlich merkt man auch, dass unser aller Gesundheit wichtiger ist und die kann man mit Geld auch nicht wiederherstellen. Zum Glück können wir wenigstens „weiterarbeiten“. Das heisst, wir bilden 2er-Teams im Studio oder schicken uns Songideen hin und her. Mir fehlt dieses Gefühl des Beisammenseins, aber generell empfinde ich diese „Entschleunigung“ unglaublich positiv für unseren musikalischen Output.
Jonas | MC: Euer Break mit Sushi ist nun ein paar Wochen her. Wie kann man diesen am besten zusammenfassen? Was hat sich seitdem verändert?
Kevin | EC: Das ist nach zehn Jahren gemeinsamer Geschichte natürlich sehr schwer mal eben so zusammenzufassen, aber wir waren in unserem Statement zur Trennung von Sushi schon absolut ehrlich. Das besondere an kreativer Arbeit ist ja, dass sie unglaublich stimmungsabhängig ist. Wenn der Vibe am Arbeitsplatz scheiße ist, kann ich dir zwar ‘nen 1a-Kaufvertrag für ‘nen Thermomix TM6 ins System ballern, aber ‘nen geilen Song schreibst du dann nicht (No offense gegen Thermomix, das Handbrot daraus ist Killer).
Die Grundlage von Eskimo Callboy ist unser aller Leidenschaft zur Musik. Die hat uns zusammengeführt und nur der verdanken wir es, dass wir den geilsten Job der Welt haben. Alles was wir erreicht haben, baut darauf auf. Im Laufe der letzten Jahre haben wir nur leider immer öfters viel zu viel Kraft darauf verwenden müssen, passende Kompromisse zu finden, anstatt sie in unsere Musik zu stecken. Das hat uns natürlich ausgebremst und vor allem auch unsere Leidenschaft zur Musik belastet. Deshalb war es für uns am Ende die vernünftigste Entscheidung, einen Cut zu machen und uns von Sushi zu trennen.
Die Entscheidung dazu stand ja schon etwas länger fest, deshalb sind wir jetzt auch schon wieder total fokussiert. Wir können natürlich nicht beschwören, dass es lediglich an der Trennung liegt, aber irgendwie scheint ein Knoten geplatzt zu sein. Wir sind mit ganzem Herzen dabei und haben bereits einige neue Sachen geschrieben, die richtig ballern. 2010er Flashbacks inklusive.
Jonas | MC: Ihr sucht derzeit nach einem neuen Sänger/Shouter. Erzählt bitte nochmal kurz, wie das Ganze vonstatten geht und wie der aktuelle Stand hier ist.
Kevin | EC: Ganz genau. Wir haben uns dazu entschieden, die Sänger-Suche öffentlich zu machen, weil wir damit einfach mehr Leute erreichen können, als wenn wir bloß still in unserem Bekanntenkreis nach jemand Neuen suchen. Und wie wir gemerkt haben, war das eine gute Entscheidung. Denn es sind schon wirklich coole Leute unter den Bewerbern, die wir vorher noch gar nicht kannten.
Wir hatten viele Gespräche und, bevor uns Corona auch hier einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, auch Treffen mit ein paar Leuten, die uns total beeindruckt haben. Leider mussten wir jetzt ein wenig pausieren mit den persönlichen Treffen, aber da wird es bald Neuigkeiten von uns geben.
Es kann sich jeder bewerben, der singen und shouten kann. Wir suchen nach besonderen Typen, die Bock auf Bandleben haben, mehr Vorgaben gibt es eigentlich nicht. Denn am Ende kommt es darauf an, dass man Spaß an Musik und Live-Shows hat und Leute unterhalten kann. Und natürlich, dass man mit unserer studio-internen „No Textile“-Politik klarkommt.
Für die Bewerbung haben wir Instrumental-Versionen unserer Songs „Crystals“, „MC Thunder“ und „Prism“ vorbereitet, auf die man dann seine eigene Vocal-Interpretation recorden kann.
Jonas | MC: Eure Musik hat sich im Laufe der Jahre verändert. Peilt ihr mit einer neuen Besetzung auch einen anderen Sound an?
Kevin | EC: Die Stimme eines Sängers bestimmt natürlich mit über den Sound einer Band, ganz klar. Aber mindestens genauso prägend ist die Art und Weise, wie man Musik macht. Und da haben wir ja mit Eskimo Callboy im Laufe der Jahre auch unseren ganz eigenen Stil gefunden. Wir haben ja wie gesagt schon ein paar Hits geschrieben in den letzten Wochen, und für die habe ich ersatzweise erstmal die Vocals eingesungen. Und auch wenn meine Singstimme eher so Wendler-Niveau hat, haben die Songs schon jetzt den Flair, den man von uns gewohnt ist.
Wir waren ja nie wirklich festgefahren, was unsere musikalische Ausrichtung angeht, aber die ersten Sachen sind schon echte Bretter geworden. Erinnert mich an unsere Anfänge.
Jonas | MC: Für euch stehen nun erstmal keine Live-Shows an. Wäre es für euch aktuell eine Option, aktuelle Entwicklungen aus dem Proberaum/dem Studio zu veröffentlichen?
Kevin | EC: Die frischen News, dass der komplette Festivalsommer nun ausfällt, hat uns alle natürlich mitten ins Herz getroffen, obwohl wir die Entscheidung absolut vernünftig finden. Aber damit steht nun auch fest, dass wir eine Menge Zeit haben werden, um wieder ganz viele Einblicke in unseren Band-Alltag liefern zu können. Wenn wir unsere Leute schon nicht persönlich auf Shows oder Festivals treffen können, wollen wir wenigstens online möglichst gut Kontakt halten.
Erst kürzlich haben wir uns noch alte Video-Blogs angeschaut und dachten uns, dass wir sowas mal wieder öfter machen wollen. Live-Streamen ist für uns immer unterhaltsam. Egal ob wir nur quatschen oder mit unseren Leuten ein paar Games zocken… aber das ist auch nicht für jeden was. Wir schauen uns selber auch total gerne vorbereitete Best-of-Szenen anderer Bands an. Das ist zwar etwas mehr Arbeit, aber auch mega unterhaltsam. Und auch wenn wir dieses Jahr mit unserem Arsch zuhause bleiben müssen: Die gute Laune kann man uns nicht nehmen!
Jonas | MC: Ihr arbeitet bereits an neuer Musik. Wie sind eure Fortschritte und wann werden wir etwas zu hören bekommen?
Kevin | EC: Also momentan läuft. Wir sind täglich in unseren 2 Studios aktiv und schreiben frei drauf los. Es fühlt sich so gut an, einfach Musik zu machen ohne Kompromisse. Genau deshalb haben wir damals alle mit Mucke angefangen. Und es ist halt auch vom Style her wieder alles mit dabei. Was an sich sehr geil ist, denn wenn es dann am Ende manche Songs nicht aufs Album schaffen, können wir die immer noch an Behemoth oder Roland Kaiser verticken.
Aufgrund der besonderen Situation momentan, entstehen viele Ideen indem wir sie uns hin- und herschicken und so dann gemeinsam dran arbeiten. Aber das nimmt uns auf keinen Fall die Laune. Mittlerweile haben sich alle an stundenlange Facetime-Anrufe gewöhnt. Letzte Woche haben wir einen Track aufgenommen und den so gefeiert, dass wir total versackt sind. Die Laune war geil, jeder hatte sein kühles Bierchen… genau so entstehen die besten Songs.
Wir planen die erste Single für Ende dieses Jahres ein. Und die wird auch direkt was Besonderes. Ein Donnerwetter sozusagen.
Jonas | MC: Ihr habt bereits einen Einblick in die aktuellen Auditions gegeben. Könnt ihr aktuell schon einen Favoriten ausmachen?
Kevin | EC: Natürlich haben wir da schon unsere Favoriten ausgemacht, und uns auch bereits mit drei von ihnen getroffen, bevor der ganze Spuk um das Virus begonnen hat. Einen vierten Kandidaten haben wir per Skype kontaktiert. Aber wir sagen noch nichts über unseren Favoriten. Denn wenn wir eins von Günther Jauch gelernt haben, dann dass man den Publikumsjoker nicht beeinflussen sollte. Wir wollen von unseren Leuten ehrliches Feedback bekommen. Deshalb werden wir unsere eigene Meinung dazu erst später bekannt geben, schon allein um allen Leuten, die eine Audition eingeschickt haben, gegenüber fair zu bleiben.
Jonas | MC: Was war das verrückteste Video, welches euch in Bezug auf die Eskimo Callboy-Auditions erreicht hat?
Kevin | EC: Da ist natürlich mega unterschiedliches Zeug dabei. Von selbstgedrehten Musikvideos, über Proberaum-Aufnahmen bis hin zu richtig gut produzierten Neu-Interpretationen unserer Songs. Natürlich variiert auch die Qualität der Beiträge sehr, aber was alle verbindet: Sie haben sich Mühe gegeben, und wir merken, dass Herzblut drin steckt. Das allein verdient unseren höchsten Respekt.
Wir genießen es sehr, jeden Tag die neuesten Einsendungen zu checken. Ist ja irgendwie auch eine Ehre für uns, dass die Leute, sich überhaupt diese Mühe machen. Wir werden jetzt nach und nach mal ein paar Leute anschreiben und Proben ausmachen. Wir nehmen aber weiterhin noch Auditions an.
Jonas | MC: Hand aufs Herz! Ihr wart mit „Sushi“ viele gemeinsame Jahre zusammen als Band sehr erfolgreich und ein durchaus eingeschweißtes Team. Gibt es ein paar persönliche Worte, die ihr an ihn richten möchtet?
Kevin | EC: Also wir haben uns ja alle noch gern, und die Sachen fürs Herz sagen wir uns eh nur über Whatsapp… aber wenn wir hier gerade die Chance dazu bekommen:
„Hey Gespenster-Bengel, wir würden Pascals Gitarre gegen dein Inear tauschen… Treffpunkt, wann immer du möchtest, in unserer Hood in Cashtropez. Kein Treten, kein Kratzen!“
Jonas | MC: Wie sehen explizit eure nächsten Schritte in den nächsten Tagen und Wochen aus?
Kevin | EC: Erst heute haben wir noch ein Online-Meeting abgehalten, in dem wir besprochen haben, wie es weitergeht. Irgendwie braucht man momentan für alles einen Plan B. Einmal mit, und einmal ohne Corona. Ganz schön bescheuert und aufwendig.
Wir werden natürlich weiter mit Hochdruck an unserem neuen Album schreiben. Das macht momentan am meisten Bock und nimmt die meiste Zeit ein. Die erste Single ist auch schon so gut wie auserkoren und dafür ist auch bereits ein megageiles Video geplant. Der Monstertruck ist gemietet und David hat die Tiger-Dressur auch schon krass im Griff. Aber dazu gibt’s bald mehr News.
Dann rückt die Sänger-Entscheidung natürlich näher. Wir freuen uns auf die kommende Zeit und wollen den Neuen in unserer Mitte gebührend präsentieren, wenn wir ihn auserkoren haben. Dafür haben wir uns auch schon etwas ausgedacht! Ansonsten geht es in die Planung der nächsten Touren. Sobald es geht, werden wir zurück auf die Bühne hechten. Dafür gibt es generell zwei denkbare Szenarien: Entweder spielen wir die erste Show in doppelter Geschwindigkeit wegen der ganzen angestauten Energie, oder wir kriegen ‘nen Herzinfarkt auf der Treppe zur Bühne, weil ein Chilli-Cheese-Nugget quersitzt.
Jonas | MC: Wir sind am Ende angekommen! Hier habt ihr Platz für ein paar persönliche Zeilen an alle Eskimo Callboy-Fans:
Kevin | EC: Hey Leute, wir danken euch von Herzen für euren unglaublichen Support in nun fast 10 Jahren Eskimo Callboy. Ohne euch hätten wir es nicht bis hierhin geschafft, das ist uns allen klar! So viele gute Erinnerungen sind eng mit euch verknüpft… und wir wollen mehr davon!
Wir arbeiten gerade mit Hochdruck und ganzem Herzen an unserem 6. Album und bald können wir uns auch wieder komplett präsentieren. Wir haben so viele nette Nachrichten von euch bekommen, die uns zusätzlich motivieren euch bald wieder neue Mucke straight from Castrop-City präsentieren zu können.
Wir halten euch auf unseren Socials stets auf dem Laufenden und freuen uns darauf mit euch bald neue Musik und geile Touren zu feiern. Wenn ihr Fragen habt, schreibt uns gern auch auf unseren privaten Accounts.
Bis dahin bleibt gesund Leute, und wir senden euch ganz viel Liebe,
eure Eskimos
Foto: Eskimo Callboy / Offizielles Pressebild
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