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News

Interview

Dani von Bury Tomorrow über psychische Gesundheit: „Ich habe mich lange Zeit dafür geschämt.“

Der Sänger über das neue Album und die weiteren Pläne der Band.

VON AM 17/02/2020

Am 03. April bringen Bury Tomorrow ihr neues Studioalbum „Cannibal“ auf den Markt. Die Platte markiert das nunmehr sechste Studioalbum der britischen Band und widmet sich lyrisch einem ganz besonderen Thema: Mental Health.

Wir haben mit Frontmann Daniel Winter-Bates über den bevorstehenden Longplayer, die Bedeutung der Texte insbesondere auf das Thema Mental Health sowie über die Pläne der Band in der nahen Zukunft gesprochen.

Bury Tomorrow-Frontmann Daniel Winter-Bates über das neue Album „Cannibal“

MC | Natascha: Hey Dan, wie gehts dir? Erzähl, wie war 2020 bisher für dich?
Dani: Mir geht‘s gut, danke. Soweit gut, es war eine ziemlich wilde Fahrt bislang. Es ist schon eine Weile her, seitdem wir uns auf die Album-Kampagne eingestellt haben. Wir waren sehr beschäftigt mit der „Black Flame“ Tour, die übrigens super gelaufen ist und danach kamen ja schon die neuen Songs, die auch sehr gut angenommen worden sind. Wir sind ziemlich „busy“, aber uns geht‘s gut.

MC | Natascha: Großartig, es sind ja nur noch knapp eineinhalb Monate bis zur Veröffentlichung eures sechsten Studioalbums „Cannibal“. Wie aufgeregt ist man da?
Dani: *lacht* Man ist gar nicht mehr so aufgeregt, da wir ja schon so lange fertig sind. Mittlerweile will man es einfach nur noch veröffentlichen. Wir wollen alles richtig machen, uns gut vorbereiten, wir haben noch ein Video in Planung, viele Pressetermine – ich bin sicher, die Zeit vergeht wie im Flug. Es fühlt sich gut an, wieder zurück zu sein nach der kurzen Winterpause.

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MC | Natascha: „Cannibal“ ist ein sehr persönliches Album, vor allem für dich – wie waren der Schreibprozess und die Aufnahmen im Studio für dich?
Dani: Um ehrlich zu sein, gab es da gar nicht so viele Unterschiede, zumindest im musikalischen Sinne. Dawson hat sein übliches Riff-Lord-Ding gemacht und viele der Songs geschrieben. Wir haben diesmal viel Zeit mit Pre-Production verbracht, indem wir uns alle zusammengesetzt haben. Wir hatten dieses Mal viel mehr Kontrolle über das Album. Wir haben also die Songs auseinandergenommen, wieder zusammengesetzt und als das Grundgerüst stand, fing der Schreibprozess an. Als ich die ersten Tracks für das Album fertig hatte, wusste ich, dass es sehr persönlich wird. Die Songs sind sehr düster und ich musste für mich herausfinden, ob das in Ordnung für mich ist, darüber ein ganzes Album zu machen. Und das war es.

In der Vergangenheit habe ich oft Songs geschrieben, die sich nur metaphorisch mit solchen Themen auseinandergesetzt haben, ganz anders als bei diesem Album jetzt. Das war komplettes Neuland, und die Entscheidung kam bewusst von den Jungs und von mir. Ich setzte mich also hin und überlegte und fing an über das zu schreiben, was ich die letzten Jahre durchgemacht habe. Jason und ich haben eng an den Texten zusammengearbeitet, er wollte ganz klar seine eignen Texte schreiben und dabei war es wichtig, dass er meine Denkweise versteht. Wir haben viel darüber gesprochen, was die Songs thematisieren und wie sich die Songs anfühlen, so wie ich mich fühlte, als ich meine Tiefpunkte hatte. Sowas hatten wir bis dato noch nie gemacht, Jason hatte derartiges zum Glück noch nie durchmachen müssen. Es war hart, aber in einem guten Sinne – er verstand mich danach viel besser, was sehr schön war.

Anmerkung der Redaktion: Solltest du selbst das Gefühl haben, dass du dich in einer belastenden Situation befindest, dann kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du anonym Hilfe von Beratern, die mit dir Auswege aus schwierigen Situationen finden und eine tolle Stütze sein können. Danke, dass du es versuchst!

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MC | Natascha: Das klingt, als ob ihr alle nochmal eine viel stärkere Bindung zueinander gefunden habt, das freut mich sehr. Welcher der Songs war denn am schwersten aufzunehmen und zu schreiben?
Dani: „Better Below“ war ziemlich hart, das bringt der Song mit sich. Es gibt keine Metaphern, keine versteckten Bedeutungen, wovon der Song handeln könnte. „Better Below“ thematisiert psychische Gesundheit, das Versteckspiel davor und dass man sich dafür schämt – ich habe mich lange Zeit dafür geschämt. Es war hart, den Song aufzunehmen, er war einer der letzten, die ich aufgenommen habe, weil ich einfach nicht wusste, wie ich damit umgehen soll. Der Schreibprozess war sehr emotional, denn ich wusste nicht, wie weit ich gehen konnte und „Better Below“ ist schlussendlich einer meiner Lieblingssongs auf dem Album geworden. „The Grey“ ist auch ein ziemlich krasser Song, einfach weil er so traurig ist, also richtig traurig – es geht darum, dass man nicht mehr sein will und das ist ganz klar kein schönes Thema worüber man spricht, aber es ist wichtig auch solche Themen nicht auszulassen.

MC | Natascha: Mental Health bekommt ja immer mehr Aufmerksamkeit in den Medien und der Musikwelt, zum Beispiel spricht Billie Eilish ganz offen über ihre Depressionen und Angstzustände. Du bist selbst ein großer Verfechter der Mental Health Awareness und auf „Cannibal“ bekommen wir einige Eindrücke deiner Erfahrungen und Kämpfe damit. Was hilft dir aus einem persönlichen Tief heraus?
Dani: Darüber zu reden ist das A und O. Ich versuche das Leben anderer zu verbessern und das hilft mir wiederum dabei die Frage, „Warum bin ich hier?“ besser zu verstehen. Ich habe mit meiner Familie und meiner Frau großartige Menschen, die mich unterstützen und immer hinter mir stehen. Ich gebe stets mein Bestes und versuche, mit allem was ich tue, Positivität und Ehrlichkeit zu fördern, um das Thema psychische Gesundheit zu normalisieren. Darüber zu sprechen ist okay und wichtig, je mehr wir darüber sprechen, desto einfacher ist es für Betroffene, sich zu öffnen, egal ob man unter Depressionen leidet oder jeden Tag mit Panikattacken zu kämpfen hat. Das ist ein wichtiger Punkt, an dem wir die Gesellschaft umerziehen müssen, gerade wenn die Jugend solche Dinge durchmacht. Es geht darum, dass man für das Thema sensibilisiert und Aufmerksamkeit generiert, sodass man in Zukunft sagen „Hey, mir gehts nicht gut. Es ist nicht körperlich sondern psychisch“, ohne dass jemand einem mit Unverständnis gegenüber tritt.

Ich versuche, sehr achtsam zu sein, und mich mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen. Man muss verstehen, dass Körper und Geist miteinander verbunden sind und auf unsere Umgebung reagieren. Es bringt nichts, der Vergangenheit hinterherzutrauern oder sich der Zukunft wegen verrückt zu machen. Es geht darum, JETZT zu leben.

MC | Natascha: Gibt es denn ein bestimmtes Album oder einen bestimmten Künstler, den du dir anhörst, wenn du mal nicht auf der Höhe bist?
Dani: Hmm, wie viele andere auch tendiere ich dann eher zu emotionaleren, akustischen Sounds. Wenn ich weiß, dass Künstler ähnliches durchgemacht haben wie ich, dann fällt meine Wahl dort schon eher mal hin, wie beispielsweise Billie Eilish, die auch offen darüber spricht und das in ihre Werke miteinfließen lässt.

MC | Natascha: Gibt es denn aktuelle Künstler, vielleicht auch aus anderen Genres, die dich sowohl auf persönlicher Ebene, aber auch als Musiker inspirieren?
Dani: Eigentlich jeder. Ich weiß, dass klingt nach einer sehr saloppen Antwort, aber jeder, der auf die Bühne geht und ehrlich ist, sich Kritiken aussetzt und nicht das typische Rockstarleben genießt, inspiriert mich. Da gibt es so viele, ich könnte so etliche aufzählen, müsste aber Angst haben jemand wirklich wichtigen zu vergessen.

MC | Natascha: Nach der Festivalsaison kommt ja bekanntlich immer die Clubshow-Saison. Wie sieht‘s aus? Gibts eine Herbsttour?
Dani: Wir planen eine Tour, hoffentlich zum Ende des Jahres. Ich kann leider gar nicht so viel dazu sagen, jeder weiß, dass eine Tour kommt, wenn es ein neues Album gibt. Also ja, nach der Festivalsaison gibt es auf jeden Fall eine Tour, damit wir das Album nochmal richtig promoten können und all diejenigen feiern können, die daran mitgewirkt haben.

MC | Natascha: Das klingt doch sehr vielversprechend! Wenn wir schon beim Thema Tour angekommen sind: Ich weiß es ist ein leidiges Thema, aber der Brexit ist da – was bedeutet das für euch als Musiker?
Dani: Wer weiß, es könnte alles passieren. Im Idealfall ändert sich so gut wie nichts. Im schlechtesten Fall benötigen wir künftig ein Visum, um auf Tour in Ländern, die wir lieben, zu gehen. Dieses Jahr wird sich nicht allzu viel ändern. Zumindest nehmen uns die Leute als Menschen wahr, die mit einer Entscheidung leben müssen, die wir so nicht wollten. Der Brexit ist das Ergebnis reicher, weißer Männer, darüber müssen wir uns im Klaren sein. Es gibt weitaus schlimmere Dinge in Bezug auf Menschenrechte und die Abschiebung von Menschen. Ich muss mehr über diese Leute nachdenken als darüber, was es für uns bedeutet, aber wir werden unser Bestes geben, um unseren Tourzyklus nicht zu beeinträchtigen. Und falls uns Steine in den Weg gelegt werden, geben wir unser Bestes, um die Dinge zu regeln und trotzdem unbeschwert auf Tour gehen zu können. Das ist alles was wir tun können. Unser Bestes geben.

MC | Natascha: Gibt es denn einen großen Unterschied zwischen „Frontmann Dan“ und „NHS [National Health Service, Anm. d. Red.] Dan“? Was ist anders und was bleibt gleich?
Dani: Ich glaube alle Frontmänner haben irgendwann diese Rolle erschaffen. Was mich betrifft, ich glaube diese zwei Persönlichkeiten gleichen sich immer mehr an, vor allem mit der Veröffentlichung der neuen Songs. Das bin ich. Alles, was ich jemals auf der Bühne gesagt habe, ist wahr.

Ich bin nicht da, um stundenlang Predigten zu halten, das bin ich nicht. Uns geht es darum, eine gute Show abzuliefern, mit unseren Fans zu connecten und Spaß zu haben. Das war schon immer so und das wird es immer bleiben. Diese Reise mit Bury Tomorrow wird ganz klar etwas anders, ich werde den Menschen meine verletzliche Seite zeigen und ich denke, das kannte man vorher so noch nicht von mir.

Was ich durchgemacht habe, meine Tiefpunkte – das sind alles Dinge, über die ich offen spreche, was ich so noch nicht getan habe. Das was ich in der NHS und in Bury Tomorrow mache, unterscheidet sich gar nicht so sehr. Es geht darum, positiv zu sein, Ergebnisse zu erzielen und uns als Menschen zu bessern. Die Art und Weise, wie ich die Menschen anspreche, ist dabei die gleiche.

MC | Natascha: Du sagtest ja bereits, dass uns einige Shows erwarten. Gibt es denn bestimmte Songs, bei denen du es kaum erwarten kannst, sie live zu performen?
Dani: „Cannibal“ wird für uns ganz groß, denn der Song kam noch besser an als „The Grey“. „The Grey“ ist sehr persönlich und anders und „Cannibal“ ist ein typischer Bury Tomorrow-Song mit neuer Botschaft. Ich kann es kaum erwarten, den Song am Wochenende auf Teneriffa zu spielen.

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MC | Natascha: Insgesamt gibt es elf Tracks auf „Cannibal“, gibt es dafür einen Grund?
Dani: *lacht* Ach, wer weiß das schon. Ich treffe die Entscheidungen nicht, das übersteigt meine Entscheidungsgewalt. Elf Songs scheinen doch ganz gut zu sein, vor allem bei so einer schweren emotionalen Thematik. Wir wollten keine Songs aufs Album packen, die nicht gut genug waren. Keine Filler-Songs. Es ist sehr organisch – ich meine klar, wir reden hier über Bonusmaterial, das haben wir bislang ja immer gemacht, also gibt‘s vielleicht da noch den ein oder andren Track. Wir werden sehen.

MC | Natascha: Kommen wir zur letzten Frage: Parkway Drive haben jetzt insgesamt drei, Heaven Shall Burn reiht sich jetzt auch in die Bands ein, die einen Dokumentarfilm veröffentlichen. Wann gibts denn eine Bury Tomorrow-Doku? Ist da was in Planung?
Dani: *lacht* Ach, wer weiß! Wir reden immer mal wieder darüber, „wäre das nicht cool“, aber das ist gar nicht so einfach, zumindest auf unserem Level. Heaven Shall Burn und Parkway Drive sind Giganten der Szene. Wir bemühen uns, soviel Content wie möglich zu produzieren, aber wir wollen das nicht als Bury Tomorrow-Dokumentation vermarkten. Es passt nicht zu dem, wofür wir stehen. Wir sind keine Rockstars, wir wollen nicht verzweifelt ultra berühmt werden. Wir entscheiden uns nicht bewusst dagegen, es hat derzeit einfach keine Priorität für uns. Wir wollen einfach Konzerte spielen, die immer härter und innovativer werden. Wir wollen unsere Fans mit einbeziehen, wie bei den „Save Spaces“, oder wenn wir auf die „Black Flame“ Ära zurückschauen, dass sie zusammen mit uns einen Song aufnehmen können. Das ist für uns wichtiger, als eine DVD rauszubringen. Vielleicht irgendwann mal, wenn das Thema noch interessant ist. Wir haben so viel Videomaterial gesammelt über die Jahre, von Live-Shows bis hin zu Backstage-Rumblödeleien, da ließe sich bestimmt was draus machen, aber ob das reicht, um eine DVD zu machen? Ich weiß auch nicht.

Foto im Auftrag von MoreCore.de: Karoline Schaefer (Cat Eye Photography)

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