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Before The Hype: AVOID und ihr Feel-Good-Metalcore
Darum dürft ihr den Support für Silent Planet nicht verpassen.
VON
Maik Krause
AM 16/01/2025
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Immer wieder, wenn sich gewisse Trends entwickeln und eine Ästhetik, ein Sound, eine Mentalität durchsetzt, gibt es auch immer eine Gegenbewegung. Die vergangenen Jahre standen vor allem im Zeichen des schweren und melancholischen Alternative Metal und Metalcore – gepaart mit kühlen und mechanischen Einflüssen aus Industrial und Nu Metal. Bad Omens, Spiritbox, Architects, Bring Me The Horizon – sie gehören zu den größten Namen, die den Soundtrack der (Post-)Pandemie geprägt haben. Doch dass Metalcore nicht immer düster klingen und aussehen muss, beweist eine Band aus Seattle, die nun endlich auch ihr Debüt in Deutschland geben wird und vermutlich bald zu den neuen Hype-Bands der Szene gehören werden: AVOID.
AVOID: Weg vom “Local Band High School Stuff”
Benny Scholl meldet sich gut gelaunt zum Interview. Es ist Ende November und während in Deutschland der erste Schnee gefallen ist, sitzt er in seiner Wahlheimat Carlsbad in San Diego. Das Wetter sei gut und er habe reichlich Zeit zum Quatschen. Scholl ist Sänger von AVOID und einer der Gründungsmitglieder. Er gehört zur Kategorie Sonnyboy, also jemand, der positive Energie ausstrahlt, mit dem man sofort ein Kaltgetränk trinken oder eine Runde skaten gehen würde. Scholl ist redselig, aber nicht arrogant. Wir sind schnell bei “Bro” und “Dude”, aber was man als amerikanische Oberflächlichkeit abtun könnte, fühlt sich bei Scholl eher nach Verbundenheit über die Gesprächsthemen, vor allem aber auch Dankbarkeit an. Schnell wird aus dem Interview ein lockerer Talk, wie man ihn im Backstage haben könnte. Anekdoten, Geschichten, Meinungen werden ausgetauscht, während die Zeit im Flug vergeht.
AVOID gehören zu den Bands, die in kurzer Zeit sehr große Sprünge gemacht haben. Angefangen als Avoid the Void hatte die Band den typischen Werdegang einer Garagen-Band, die man eben in der Schule gründet. Scholl und seine Kollegen waren um die 14, doch als er mit der Zeit immer mehr Erfahrung außerhalb des eigenen Projekts sammelte und in Locations und als Tour Manager arbeitete, hätte er bemerkt, dass es einen Neustart bräuchte, um sich von dem “Local Band High School Stuff” zu lösen. Ein Label, das zwar eine gewisse Romantik und Sympathie mit sich bringt, gerade wenn es um Emo- und Pop Punk-Nostalgie geht. In Sachen Vermarktung, um an Support Slots für größere Bands zu kommen und sich auch überregional attraktiv zu machen, braucht es aber ein schärferes Profil. Es verwundert also nicht, dass er von einem “Rebranding” spricht, als es um die Umbenennung in AVOID geht.
„Warum sind alle so ernst? Musik sollte Spaß machen!“
2018 erschien mit “Alone” ein Debüt-Album, das noch relativ düster und unironisch daherkam. War die Platte der erste Schritt in Richtung Selbstfindung, war man zu dem Zeitpunkt noch weit von dem entfernt, was die Band heute ausmacht: “Ich glaube, wir haben versucht, viele Dinge nachzumachen”, erklärt Scholl. Man sei eben noch immer recht jung und verwirrt gewesen. Als man dann erste Touren spielte, auch mit Bands der Kategorie “Kindheitshelden”, kam die Erkenntnis: “Nichts von dem Mist ist wichtig. Wir dachten uns, ‘warum versuchen wir nicht, wir selbst zu sein statt in irgendeine Form reinzupassen?’“ Der Frontmann spricht von einer Identitätskrise, die er noch immer erkennt, wenn er sich Songs von “Alone” anhört.
Mit der “The Burner”-EP schärften AVOID dann erneut ihren Sound, aber vor allem auch die Ästhetik, die viel eher nach Pop Punk und Skatepark aussah als nach düsterem Metalcore. Zeigte das Cover von “Alone” einen entzweiten, mageren Körper mit Blumen auf Bauchhöhe – natürlich in Grautönen gehalten – sind auf “The Burner” Palmen und eine gewisse 80s-/ Retro-Optik zu sehen. Musikalisch ging es von da an viel Stärker in Richtung Beartooth, A Day To Remember oder Dragged Under.
Metalcore also, der auf Punk-Melodien setzt und dabei sowohl den Vibe von Highfives und Stagedives, aber eben auch Breakdowns und Moshpit-Action vereint. “Das, was einen Fan wirklich an der Musik fesselt, ist Authentizität. Und wir wollten immer authentisch sein, uns selbst gegenüber und bei dem, was wir tun. Letzten Endes sind wir ein Haufen dämlicher Kids. Ich habe diese Band im Keller meiner Eltern gegründet, um einfach ein bisschen Spaß zu haben. Ich war nicht wirklich gut in der Schule und das war meine Flucht”, beschreibt Scholl den Sinneswandel, der sich auch durch Begegnungen auf Shows und Festivals verfestigt hätte.
“Ich habe gemerkt, dass viele Bands auch hinter den Kulissen sehr ernst drauf sind und wollte nicht in deren Nähe sein. Es ist einfach so, dass dieses Zeug nicht so ernst ist. Man sollte Spaß haben. Und der Grund, warum ich Musik als Fan liebe und der Grund, warum ich Musik als Künstler liebe, ist, dass sie Spaß machen soll.”
Diesen Spirit haben AVOID schon länger in ihre Songs und Musikvideos übertragen. In „Whatever“ nehmen sie so ziemlich jedes 00er Crabcore-Klischee auf die Schippe. Bezeichnend, dass der Song mit „Robot voice“ beginnt – natürlich von einer Roboterstimme gesprochen. In „Can’t Take This Away“ bedienen sie sich als Filler vor dem letzten Chorus beim ikonischen „Can’t Stop“-Riff der Red Hot Chili Peppers. „Flashbang“ mixt man einfach Live-Aufnahmen rein, während man in „Gator Fest“ fast zu lange Anlauf nimmt, bevor im Breakdown Nackenschläge verteilt werden. Es sind diese kleinen Dinge, die einen immer wieder schmunzeln lassen.
Manche Parts sind völlig over-the-top, als ob man mit 260 Sachen über die Überholspur jagt, während man die Eingängigkeit nicht vernachlässigt und mit „Cowabunga“ oder „HostAge At A BeAch House PArty“ echte Ohrwürmer in der Hinterhand hat. Diese Mischung macht es zu einer Art Feel Good Metalcore, der zwar bissig ist, aber vor allem einfach richtig gute Laune macht.
NASCAR, Label-Wechsel und erste Europa-Shows im Januar 2025
In den USA konnten AVOID unlängst auf sich aufmerksam machen – auch außerhalb der eigenen Bubble: Die beiden Songs “HEAT” und “Song About James” sind Teil des Soundtracks zum Videospiel NASCAR Heat 5, in dem man sogar mit dem Rennfahrer Joe Graf Jr in einem Auto im AVOID-Design fahren kann. Vor einem NASCAR-Rennen in Las Vegas durfte Scholl sogar die amerikanische Nationalhymne singen. Mit Silverstein-Drummer Paul Koehler hat die Band zudem einen erfahrenen Mann als Manager an der Seite, während Gitarrist Nick Olson als Drumtech für Hollywood Undead arbeitet und Christopher “Chrispy” Echols auch bei Sworn In Gitarre spielt.
2022 veröffentlichte die Band mit “Cult Mentality” ihr zweites Album, tourte mit Genre-Größen wie Bad Omens, The Plot in You, Wage War oder Pop Evil und gab im Oktober 2024 den Wechsel von Thriller Records zu UNFD bekannt. Mit dem Song “Burn” gab es dazu einen ersten Vorgeschmack auf das, was uns auf dem nächsten Album erwarten könnte. Doch zunächst werden AVOID ihr Europa-Debüt geben, wenn sie ab diesem Freitag, 17. Januar mit Silent Planet, Like Moths To Flames und VEXED unterwegs sein werden.
“Ich versuche nicht mit großen Erwartungen reinzugehen”, gibt Scholl zu. “Wenn ich jetzt vorher schon denken würde, dass man uns in Europa liebt und uns die Leute aber hassen, dann wäre ich völlig enttäuscht.” Ihm sei aber schon auch bewusst, dass die deutschen Hörer:innen die zweitgrößte Gruppe der aktuellen Streaming-Zahlen ausmacht. Zudem habe er auch das Feedback bekommen, dass ihr Sound durchaus gut in Europa funktionieren könne. “Ich bin einfach gespannt, ob das wirklich zutrifft und am Ende ist es unser erstes Mal dort.” Vor allem sei er nicht der Typ, der jeden Abend erzählen würde, dass es die beste Show der Tour oder jemals sei: “Ich hasse sowas. Ich bin einfach ehrlich und sage, was ich denke und wie ich mich fühle!”
„Don’t mosh!“: Unberechenbare Live-Shows
Wenn man den zahlreichen Social Media-Clips Glauben schenken kann, dann kann man eine wilde und vor allem spaßige Show von AVOID erwarten, bei der so ziemlich alles passieren kann. So hat ihr Soundmann Brandon mal das Catering vorgezogen und ist während der Show zum Taco Bell auf der anderen Straßenseite gegangen, um die Band auf der Bühne zu beliefern. “Das war so witzig! Aber Junge, was, wenn währenddessen etwas schief gelaufen oder ausgefallen wäre. Er war einfach nicht da und hätte nicht reagieren können”, lacht Scholl.
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Bei einer anderen Show, während einer Radio-Promo-Tour in einem Casino in Pittsburgh in Kansas, wurde der Band verboten, zu „gewalttätigem Verhalten“ aufzurufen. “Es gibt das große und bekannte Pittsburgh und es gibt Pittsburgh in Kansas. Davon hat noch nie ein Schwein gehört”, grinst der Sänger, als er sich zurückerinnert. Die Band sollte also einen Vertrag unterschreiben, in dem explizit stand, dass man auf Moshpits und Ähnliches verzichten würde. Die Gage wurde allerdings schon vor der Show bezahlt, also unterzeichnete Scholl den Vertrag mit einem Fake-Namen, um das Konzert spielen zu dürfen.
“Unser Ziel war, so schnell wie möglich nach den ersten beiden Songs von der Bühne geschmissen zu werden.” Also fing der Sänger an immer wieder zu betonen, dass doch bitte niemand moshen solle – entgegengesetzte Psychologie quasi – bis es doch aus ihm rausplatzte und das Publikum loslegte. Schnell reagierte der Laden, schaltete die PA ab und versuchte die Band von der Bühne zu jagen. “Wir haben nicht das Mindset, dass wir Leute absichtlich verärgern wollen”, führt Scholl aus, “…aber falls uns verboten wird in Pittsburgh, Kansas zu spielen, wird das unsere Karriere auch nicht so negativ beeinflussen”, lacht er. Am Ende ging der Clip dazu viral und führte wiederum neue Leute zur Band.
Sind AVOID das nächste große Ding? „Wir haben Zeit“
Überhaupt scheinen AVOID das Beste aus ihrer Zeit machen zu wollen. Deswegen freut sich Scholl auch sehr auf die Europa-Tour, um sich Städte und Spots anzusehen, die er sonst nur aus Büchern und dem Internet kennt: “Ich habe Bock, all diese verschiedenen Kulturen und Städte kennenzulernen. Ich bin ein regelrechter Geografie- und Geschichtsfanatiker. Es ist selten, dass man in den USA Architektur aus der Zeit um 1800 und wirklich alte Sachen wie diese sieht. Deshalb bin ich so begeistert, dass ich diese Dinge mit eigenen Augen sehen kann und nicht über Google oder Social Media.”
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Scholl ist dazu ein riesiger Fan von Vintage-Klamotten und hat eine große Sammlung an aberwitzigen Shirts. Darauf angesprochen rennt er zu seinem Kleiderschrank und zeigt ein T-Shirt mit dem NASCAR-Rennfahrer Rusty Wallace. “Ich bin ein großer Fan von übertriebenem Kram und altem Zeug aus alternativer Kultur und Musik. Außerdem liebe ich Rennsport und Sport generell.” Deswegen sei er immer auf der Suche nach Vintage-Sachen aus den 90ern, alten Limp Bizkit-Shirts oder was immer er so in der Richtung finden kann.
Ob die Leute in AVOID wiederum ihre neue Lieblingsband finden werden, bleibt noch abzuwarten. “Falls es nicht so ist, wird die Welt nicht untergehen. Wir haben Zeit und es gibt immer ein nächstes Mal!”
AVOID auf Tour 2025 mit Silent Planet, Like Moths To Flames und VEXED
17.01.2025 – DE – Nürnberg, Z-Bau
18.01.2025 – DE – Köln, Carlswerk Victoria
29.01.2025 – DE – Hamburg, Übel & Gefährlich
05.02.2025 – DE – Leipzig, Felsenkeller
07.02.2025 – DE – Berlin, Festsaal
09.02.2025 – DE – München, Backstage
10.02.2025 – AT – Wien, Flex
13.02.2025 – CH – Luzern, Schüür
14.02.2025 – DE – Karlsruhe, Substage
In unserer Serie „Before The Hype“ stellen wir euch regelmäßig die aktuell spannendsten Bands und Künstler:innen vor, die vielleicht noch nicht, aber sicherlich bald auch bei uns in aller Munde sein werden.
Foto: AVOID / Offizielles Pressebild
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